Konzerte Spotten, verdammen, jubilieren

Trier · Ergreifender Einstieg in die Osterzeit mit Telemanns Lukas-Passion in der Basilika.

 Zu Telemanns Lukas-Passion kommen sie alle: Bachchor, Barockorchester, Solisten und 500 Zuschauer.

Zu Telemanns Lukas-Passion kommen sie alle: Bachchor, Barockorchester, Solisten und 500 Zuschauer.

Foto: TV/Dirk Tenbrock

Wenn Kirchenmusikdirektor Martin Brambauer ruft, dann kommen sie alle: Der Bachchor, das Barockorchester „L’Arpa Festante“, die Solisten Hans Jörg Mamel, Marcus Ullmann, Thomas Laske und Joachim Höchbauer sowie fast 500 Zuschauer. Es gibt nämlich am Sonntagabend die Lukas-Passion von Georg Philipp Telemann in der Version von 1728 zu hören. Das ist anspruchsvolle Musik, fast schon nüchtern, mit sperrigen Texten, die heutzutage ganz aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Doch weit gefehlt. Wenn man sich auf die Wirkmächtigkeit der Musik und der Worte einlässt, entspinnt sich eine wundersame Ergriffenheit, die noch lange nachhallt.

Die Geschichte von Jesu Christi letzten Tagen ist sattsam bekannt, ungewöhnlich ist hier, dass Telemann und sein Textdichter Wilkens alttestamentliche Figuren wie König David, den starken Simson oder Jona (ja, der mit dem Wal) in Parallele zur Passionsgeschichte des Neuen Testamentes setzten. Das Leiden Christi als Spiegelung der Leiden der Altvorderen. Das Ganze ist mit Rezitativen, Arien und Chorälen in fünf „Abteilungen“ gegliedert, die alle derselben Form folgen, und jeweils eine alttestamentliche Person als Aufhänger haben. Im Vordergrund stehen die Solisten, die allesamt überzeugen können: Hans Jörg Mamel erzählt als Evangelist die Geschichte, eine Mammutpartie, die der Tenor mit strahlender sängerischer und erzählerischer Klarheit meistert. Voller lyrischem Schmelz der zweite Tenor, Marcus Ullmann. Herausragend Joachim Höchbauers Bass-Partie als Christus, durchdringend und mit großer melodischer Kraft. Thomas Laske glänzt mit seinem energiegeladenen Bariton. Zu Telemanns Zeiten haben die Kirchenbesucher die Choralpassagen noch mitgesungen, heute darf der Trierer Bachchor die Emotionen wecken. Je nach Passage spotten, seufzen, verdammen und jubilieren die Sänger, dass es eine helle Freude ist. Dabei sind sie wach und exakt auf dem Punkt. Das Orchester „L’Arpa Festante“ aus München zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen. Schon oft waren die Barockspezialisten in Trier, und jedes Mal begeistern sie aufs Neue. Mit ihren historischen Instrumenten – die ob des diffizilen Raumklimas in der großen Basilika-Halle zur Hälfte des zweistündigen Konzertes nachgestimmt werden müssen – legen sie einen zarte Klangbasis unter den Gesang und brillieren in den Zwischenspielen. Martin Bambauer hält hochkonzentriert mit großer Stringenz und kleiner Geste den Laden scheinbar mühelos zusammen. Die Überwindung des Todes als Kern christlichen Glaubens transportieren Telemann und Wilkens im Geiste der Aufklärung, ihre Passion macht den Sinn des Leidens Christi auch auf der Ebene des Verstandes erlebbar. Nur eben mit den musikalischen und sprachlichen Mitteln von 1728, und das erfordert Konzentration vom Publikum. Gebannt und ergriffen folgen die Zuhörer der Musik und spenden zum Abschluss viel Applaus.

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