Eines lauten Tages Reise in die Nacht

Gegensätze ziehen sich an: Was für zwischenmenschliche Beziehungen gilt, muss für eine Konzert-Lesung nicht falsch sein - vor allem, wenn der Kontrapunkt das Motiv des Abends ist. Ein Nachbericht, zusammengesetzt aus eben jenen.

Trier. (bec) Stars und Stille: Die schweren Maschinen sind die Stars des Abends. Nicht ungewöhnlich für ein Projekt, das sich "Motorcycle: Beschleunigung und Rebellion?" nennt. Nicht alltäglich - und ein Kontrapunkt - aber dann, wenn sich Schauspieler August Diehl ("23", "Was nützt die Liebe in Gedanken") ankündigt, um aus Jack Kerouacs "On the road" zu lesen. Neun laute Maschinen brettern in die Europäische Kunstakademie - und lassen fast vergessen, wer der blasse Mann im Anzug und die graziöse Frau, Diehls Gattin Julia Malik, sind, die ihnen folgen. Es wird über eine Stunde dauern, bis sich Diehl zu Wort meldet.

Freiheit und Fesseln: Neun Maschinen und drei Protagonisten, die im Rollstuhl vor 300 Zuschauern sitzen. Unbändige Freiheit auf der einen, ungewollte Fesseln auf der anderen Seite. "Die wahren Reisenden sind jene nur, die fortgehen um des Fortgehens willen" zitiert Julia Malik aus Baudelaires "Les fleurs du mal" (das ebenso spontan ins Programm aufgenommen wurde wie Schauspiel-Freund Marc Limpach, der mit ihnen in Luxemburg Eugene O'Neills "Ein Mond für die Beladenen" gespielt hat). Fortgehen um des Fortgehens willen. Beschleunigung, bloß keinen Stillstand. Angesichts der Figuren im Rollstuhl ein bedrückender Kontrapunkt.

Zarte Töne, harte Männer: Wenn sich Biker in Lederkluft auf den Boden der Kunstakademie im sanften Kerzenlicht neben ihre Harleys legen, dann mag das wunderlich anmuten. Wenn sie das nur tun, um Witthart Malik am Cembalo zuzuhören, wie er Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge" spielt - dann könnte der Anblick gegensätzlicher nicht sein.

Das letzte Wort, der letzte Ton, der letzte Kontrapunkt. Die Biker entschwinden auf ihren lauten Maschinen wieder in die Nacht.

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