Eitles Bestiarium

MACHERN. (e.r.) Tierischer Spaß und virtuoses Klavierspiel: Vor ausverkauftem Haus las Roger Willemsen seinen "Karneval der Tiere" in Machern.

Flott wirken die beiden Herren oben auf dem Podium. Und so spielen sie auch. Dass trotzdem aus Wolfram Schmidt-Leonardys und Uwe Brandts Spiel an zwei Klavieren keine Salonlöwen-Nummer wird, dafür sorgen die kristallklaren Klänge von Witold Lutoslawskys Paganini-Variationen, mit denen sie ihren Konzertabend beginnen. Ein Großteil der Besucher ist diesmal allerdings weniger wegen der Musik nach Machern gekommen. Denn nach der Pause ist Roger Willemsen angesagt.Großes Solo vor der Pause

An der Mosel wird er weder talken noch aus seinem neusten Buch "Gute Tage" lesen. Statt dessen will er - nach Loriot und Peter Ustinov - seine eigene Textversion zu Camille Saint-Saëns "Karneval der Tiere" vortragen. Davor gibt‘s das virtuose Getöse von Darius Milhauds "Scaramouche Suite". Aber dann kann Willemsen das Talken doch nicht lassen. Als Verschnitt aus Entertainer, Intellektuellem und Schnell-Redner setzt er noch vor der Pause zum großen Solo an. Und weil er offensichtlich ein kluger Mann ist, macht er sich dabei auch gehörig über sich selbst lustig. Schließlich geht es richtig los. Die beiden Pianisten und Rezitator Willemsen beziehen Stellung, und schon beginnt der animalische Showdown. Camille Saint-Saens "Zoologische Fantasie" kennt fast jeder. Roger Willemsen hat den Karneval aus dem Titel, der eigentlich nur den Premierentag bezeichnet, wörtlich genommen. Wie leicht zu erraten, sind die maskierten Zwei- und Vierbeiner, die in seinen munteren Reimen kreuchen und fleuchen oder etwas schrill fossilieren, in Wirklichkeit (zum Teil wohl bekannte) Zeitgenossen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten und Macken. Allerdings nicht nur der Prominenz geht es in Willemsens Vortrag in bester Büttenredner-Manier ans Leder. Ob blond ob braun, wer gefärbt, nagellackiert oder in feinem Tuch (trägt der Redner selbst) im Saal sitzt oder als "Musikdirektor in Bernkastel-Kues" brilliert, braucht für Willemsens Spott nicht erst zu sorgen. Dem Fitness- und Jugendlichkeitswahn frönt sein Bestiarium, legt sich unters schönheitschirurgische Messer oder begnügt sich mit Anti-Aging-Creme, mümmelt zwecks Wellness Rohkost und sucht sein Heil in Ayuveda. Dazu braucht man eine Haut aus "Leda". Dass mit der "Welt der Körnerfresser" keine Hühner, sondern die Grünen gemeint sind, erschließt sich auch unerfahrenen Zuhörern. "Lichterketten gegen Gewalt" kriegen ihr Fett ab und auch des Redners Kollegen vom Show-Geschäft. So manche Spitze riecht ein wenig nach kabarettistischer Mottenkiste, aber was soll‘s: Die Musik weiß ohnehin mehr, wie die beiden Herren am Klavier einfühlsam beweisen. Das Publikum hat jedenfalls seinen tierischen "Spaß an der Freud‘", wie die Mainzer Fasnachter sagen.

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