Engel und Rächer

PRÜM. Ein Abend der die Seele leben ließ: In der Prümer Basilika erklang Felix Mendelssohn Bartholdys "Elias" vor ausverkauftem Haus.

Wer sich Felix Mendelssohn Bartholdys himmlischen Chören überlässt, wird wieder zum Kind, das sein Nachtgebet spricht. Wie eine warme, schützende Hülle legte sich die Musik über den Raum der Prümer Basilika, als dort das Doppelquartett der Engel aus dem "Elias" des früh vollendeten Komponisten erklang.Mendelssohns letztes Oratorium ist ein gewaltiges, zwiespältiges Werk, das die naive Klangseligkeit des früheren "Paulus" weit hinter sich gelassen hat. Das Spätwerk des einstigen Wunderkindes ist ein strenges barockes Tongebäude, ausgemalt mit großartigen romantischen Klangbildern. Um den Kampf der alten mächtigen Götter gegen den gütigen "neuen" Gott des Propheten geht es darin.Allerdings ist der "Elias" viel mehr als ein musikalisches Schlachtengemälde. Er ist - das macht ihn so modern - auch ein zutiefst menschliches Drama von der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen, von seiner Sehnsucht nach Geborgenheit und seinem Ringen um einen Gott, der sich statt als Institution von Angesicht zu Angesicht offenbart.Der Dirigent Christoph Schömig erwies sich als ein brillanter Dramaturg des Mendelssohn‘schen Glaubenszeugnisses. Der Prümer Regionalkantor verstand sich gleichermaßen auf das Geistige in der Musik wie auf die groß angelegten Klangbilder, auf harte Kontraste wie subtile Klangmalerei. Scheinbar mühelos wandelte sich unter seiner Leitung der vorzügliche Kammerchor der Westeifel vom rasenden Volk zur elysischen Engelschar, durch deren transparenten Chorklang die biblisch verheißene "Klarheit des Herren" leuchtete. "Hebe deine Augen auf" - ein Tonbuchhalter, wer beim berühmten Terzett der Engel keine Gänsehaut bekam. Schömigs straffes, präzises Dirigat war einmal mehr Gewähr, dass Mendelssohns Glaubensbotschaft nicht verwässert wurde.Nicht einen Augenblick drohte die bisweilen betörende Musik in einen formlosen Brei schwärmerischer Seligkeit zu zerfließen. Was die barocke kontrapunktische Form forderte, löste der Kantor ein. Sein tönender Glaube blieb stets bewusste, wenngleich vertrauensvolle Hinwendung, wo alle Erkenntnissicherheit endete.Ein erfrischendes Erlebnis die Solisten: Der junge Burkhard Zass, der für Vesselin Stoykov eingesprungen war, gab einen anrührenden Elias. Sein junger warmer Bass-Bariton verströmte jenes Urvertrauen, das Menschen von Geburt eigen ist und das, wenn auch nicht unangefochten, so doch im Grunde unerschütterlich bleibt.Christine Wehlers edler Alt wandelte sich ausdrucksvoll vom Engel zur rachsüchtigen Königin. Und der junge Marc Dostert leuchtete mit seinem strahlenden schlanken Tenor gleichermaßen als Obadjah wie als Ahab. Sopranistin Christine Wehler (Witwe und Engel) überzeugte vor allem farbenprächtig und ausdruckstark in den mittleren Lagen. Nach oben fehlt es ihrer Stimme noch etwas an Elastizität.Mit der Jungen Philharmonie Bonn hatte Schömig ein Orche- ster verpflichtet, dem der freudige Ernst im Spiel geradezu im Gesicht stand. Wunderschön leicht erklangen die Streicher, strahlend die Bläser. Herrlich warm ebnete das Cello Elias steinigen Weg in die Wüste und selbst die Pauke jubilierte zuweilen. "Kommt zu ihm, so wird eure Seele leben" hieß es im wunderbaren Schlussquartett. Die lebte längst durch die Musik, wie der begeisterte Applaus bestätigte.

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