Entwicklungshelfer für die Literatur

Trier · Zwei Stadtschreiber gab es in den vergangenen Jahren in Trier, beide legen in diesem Jahr den literarischen Ertrag dieser Zeit in Buchform vor. Aber wie es mit der Idee Stadtschreiber weitergeht, ist offen. Die Initiatoren haben Pläne für das Jahr 2012, brauchen aber auch öffentlichen Rückhalt.

Trier. "Wörterwehen - Trierer Gedichte", so steht es auf Seite eins des gerade im kleinen, aber feinen Berliner Aphaia-Verlag erschienenen Bandes. Ein Dankeschön des Autors Rajvinder Singh an die Stadt, die ihn mit einem Stadtschreiber-Stipendium gefördert hat. Aber auch ein Hinweis auf den Ort, wo das elfte Buch des aus Indien stammenden Schriftstellers entstanden ist.
Quartier im Kutscherhaus

 Sie waren die Trierer Stadtschreiber-Pioniere: Rajvinder Singh und Frauke Birtsch setzten Akzente. TV-Foto: Archiv/Mechthild Schneiders

Sie waren die Trierer Stadtschreiber-Pioniere: Rajvinder Singh und Frauke Birtsch setzten Akzente. TV-Foto: Archiv/Mechthild Schneiders


2006/2007 war Singh der erste Trierer Stadtschreiber. Ein kleiner Verein, unterstützt von der Katholischen Akademie, hatte sich die in anderen Städten erfolgreich praktizierte Idee (siehe Extra) auf die Fahnen geschrieben. Rajvinder Singh quartierte sich im restaurierten Kutscherhaus des Hauses Franziskus ein, machte Lesungen, ging zu Schreibseminaren in die Schulen, tauchte regelmäßig bei Trierer Ereignissen auf - und schrieb "Trierer Gedichte". Er initiierte Baumpflanzungen und ließ Texte in Stein meißeln.
Im Winterhalbjahr 2009/2010 wurde Frauke Birtsch die zweite Trierer Stadtschreiberin - mit einem erweiterten Aufgabengebiet Richtung Großregion. Auch ihre wechselvollen Erfahrungen als Quattropole-Literaturpionierin werden 2011 in Buchform veröffentlicht - der Merziger Gollenstein-Verlag hat das Werk für den Herbst angekündigt.
Wie es mit der Stadtschreiberei weitergehen soll, darüber zerbrechen sich die Initiatoren derzeit den Kopf. Denn auch wenn die beiden bisherigen Amtszeiten keineswegs erfolglos waren: So richtig etabliert und im öffentlichen Bewusstsein verankert hat sich die Institution noch nicht.
Unklare Auswahlkriterien, mangelndes Profil, schlechte "Verkaufe" nach außen: Das waren die Hauptkritikpunkte bei einem Treffen der beiden bisherigen Stadtschreiber mit dem Verein und interessierten Bürgern. Als Problem wurde auch das fehlende Engagement des heimischen Buchhandels genannt. "Jede Menge Anregungen zum Nachdenken", machte der Vereinsvorsitzende Bernd Steinmetz in der Runde aus. Sicher scheint, dass man sich künftig mehr auf Trier und seine Umgebung konzentriert statt sich mit der Großregion zu verzetteln. Und das ganze Verfahren soll transparenter werden.
Nicht besonders gut kommt die Stadt Trier weg. "Man könnte wesentlich mehr für uns tun", ärgert sich Mitinitiatorin Nathalie Beßler. Tatsächlich hat die Stadt stets alles vermieden, was einer offiziellen Etablierung der Institution Vorschub geleistet hätte. Der seinerzeitige Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink hatte die Befürchtung, er bleibe mit seinem maroden Budget am Ende auf einer neuen Aufgabe sitzen.
Dabei geht es den Stadtschreiber-Freunden nicht einmal in erster Linie ums Geld. Mehr Anerkennung, die Einbindung in die Außendarstellung der Stadt, das Öffnen gesellschaftlicher Türen: Schon das wäre eine starke Unterstützung. Der neue Kulturdezernent Thomas Egger hat signalisiert, er sehe das Stadtschreiber-Projekt positiv. Welche praktischen Auswirkungen das hat, bleibt allerdings offen. Egger war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Mit oder ohne Stadt: Für das kommende Jahr gibt es schon konkrete Überlegungen. "Der Stadtschreiber könnte im Umfeld der Heilig-Rock-Wallfahrt angesiedelt werden", sagt Bernd Steinmetz, will aber derzeit nicht mehr verraten, "weil noch nicht alles in trockenen Tüchern ist". Nach den Sommerferien dürfte es grünes Licht geben. Aber so viel steht wohl fest: Der nächste Trierer Stadtschreiber kommt bestimmt.
Rajvinder Singh: Wörterwehen - Trierer Gedichte, Aphaia Verlag, 16 Euro, ISBN 978-3926677839
Etwa 15 deutsche Städte berufen einen Stadtschreiber, die bekanntesten sind Mainz und Bergen-Enkheim. Dahinter steckt einerseits die Idee eines Förderstipendiums, andererseits aber auch die Hoffnung, der Gast möge die einheimische Kulturszene beleben und das Ansehen seiner Gastgeber nach außen mehren. Ein Autor wird für sechs bis zwölf Monate mit freier Kost und Logis sowie einem meist eher bescheidenen Taschengeld ausgestattet. Im Gegenzug arbeitet er vor Ort und steht für Veranstaltungen zur Verfügung. Oft widmet der Stadtschreiber seiner zeitweiligen Heimat ein literarisches Werk. (DiL)

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