Erfinder, Revoluzzer und Sozialforscher in einer Person

Trier · Wer kann in seiner Biografie schon gleichzeitig auf eine Karriere als Gesellschaftsanalytiker und als Erfinder chemischer Verfahren verweisen? Ludwig Gall (1791 bis 1863) könnte es. Der Schauspieler Peter Singer holt einen der größten Köpfe des Trierer Landes ins Gedächtnis zurück.

Kennengelernt hat Singer den ebenso erfindungsreichen wie eigenwilligen Weltverbesserer - an dessen Grab. Der beliebte Schauspieler gestaltete eine literarische Führung auf dem Trie rer Hauptfriedhof, und Gall gehörte zu den Persönlichkeiten, zu denen der Weg führte.

"Er hat mich fasziniert", sagt Singer, und so vertiefte er sich in eine der ungewöhnlichsten Biografien der Region. Ludwig Gall war eigentlich auf dem Weg zu einer soliden Beamtenlaufbahn, aber seine Interessen waren zu vielfältig die Verwaltung. So entwickelte er die erste Gasbeleuchtung für Trier, später erfand er eine Methode zur Nasszuckerung von Weinmost - bis heute als "Gallisierung" bekannt.

Parallel zu seinen wissenschaftlich-technischen Leistungen engagierte er sich leidenschaftlich für die Bekämpfung und Erforschung der Armut. Als sozialkritischer Philosoph nahm er viele Erkenntnisse von Karl Marx vorweg, was ihn in den Zeiten der 1848er-Revolution in Konflikt mit der Obrigkeit brachte. Gall war in Europa und Amerika unterwegs - und erregte mit seiner Farbenlehre sogar die Aufmerksamkeit von Goethe.

Einen "ewig Unzufriedenen" mit einem "unglaublich bewegten Leben" nennt ihn Peter Singer. Gall sei "ein Visionär" gewesen, "aber oft zu früh an". Der Schauspieler arbeitet Lebensperioden anhand von Gall-Texten heraus, lässt auch den Menschen nicht zu kurz kommen. Gerade Galls Erkenntnisse zum Thema Armut sind erstaunlich aktuell.

Da passt es, dass die szenische Lesung am Freitag, 8. April, um 19.30 Uhr in der Bibliothek des Priesterseminars zum Rahmenprogramm der großen "Armuts-Ausstellung" gehört. Veranstalter ist das Karl-Marx-Haus, der Titel des Abends lautet: "Das Gute muss so lange gesagt werden, bis es geschieht". Zu sehen sind auch wertvolle Original-Ausgaben von Gall-Werken. Der Eintritt ist frei. Infos: 0651/970680. DiL

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