Erfolgsgeschichte in Klangfarben

Trier · Wie humorvoll Neue Musik sein kann! Triers Generalmusikdirektor Victor Puhl, die Philharmoniker und Solist Torsten Schönfeld demonstrierten es im 5. Sinfoniekonzert an Mauricio Kagels "Konzertstück für Pauken und Orchester".


Trier. Dank Hebebühne tauchten sie wie magisch aus dem Theater-Untergrund auf: Sechs Paukenkessel, ein Festival in Kupferfarben. Und als sich Torsten Schönfeld an die imposante Batterie setzte, stieg im Trierer Theater die Spannung: Was kommt jetzt aufs Publikum zu?
Der Herr der Pauken setzt sich in Mauricio Kagels "Konzertstück für Pauken und Orchester" planmäßig mit einem Glissando in Szene, bevor Dirigent Victor Puhl die erste Eins herunterschlägt. Keine Frage: Da sitzt jemand an der Rampe, der seine Sache versteht. Schönfeld arbeitet mit allerhand normalen und exotischen Spieltechniken, stimmt die Pauken blitzschnell per Pedal um und zeigt sich dabei absolut souverän. Kagels Partitur ähnelt einem Versicherungsvertrag: Auch da kommt es aufs Kleingedruckte an. Der Komponist hat dem Pauker eine Fülle von Anweisungen in die Noten geschrieben, und auch im Orchester mit immerhin drei Percussionisten geht es ziemlich bunt zu. Richtige und falsche Töne nachzuzählen macht da wenig Sinn. Aber es zählt die Schlüssigkeit des Resultats. Und da befanden sich Torsten Schönfeld, Victor Puhl und die Philharmoniker auf der richtigen Spur. Nichts geht unter in tristem Grau.
Pauker steigt durchs Instrument


Es war eine Erfolgsgeschichte in Farben - vom echt Wagner'schen "Rheingold"-Klang mit seiner fülligen Hörner-Mittellage bis zu impressionismus-naher Parallelakkordik. Da blitzen immer wieder Assoziationen an Bekanntes auf, ohne dass der Komponist plump zum Zitat greift. Und wenn sich am Schluss die sechste Pauke als Attrappe entpuppt und Schönfeld mal eben mit dem Kopf durch eine Papiermembran taucht - dann bleibt kein Zweifel: der Kagel hat wirklich Humor!
Vergessen wir den Einstieg zum Konzert. Warum vor dem brillant musizierten Kagel Ravels "Valses nobles et sentimentales" so steif, so unrund und mühsam klingen mussten, warum nichts von der mal mitreißenden, mal elegant melancholischen Walzerstimmung spürbar wurde, bleibt Geheimnis der Musiker. Sie machten es bei Kagel ja besser - und erst recht nach der Pause: Debussys heikle "Iberia"-Partitur realisierten sie ganz frei von jenem diffusen Orchesterklang, der sich als "atmosphärisch" ausgibt.
Victor Puhl und seine Musiker setzten auf Transparenz, auf Präsenz in den Bläsersoli. Vor allem im Mittelsatz "Düfte der Nacht" entfalteten sie ein Netz an vielfältigen Klangfarben. Wenn im letzten Satz die Streicher ihr Instrument wie eine Gitarre behandeln - spätestens dann stellt sich das spanische Kolorit ein, auf das Debussy zielte.
Und: Sage niemand, Ravels populärer "Bolero" spiele sich von allein. Aber die Philharmoniker hatten das Stück im Griff. Sie hielten seinen Triolen-Rhythmus unerbittlich durch und gaben den Bläsersoli eine erstaunliche Klangkultur mit. Es geht im "Bolero" nur in zweiter Linie um stetig wachsende Lautstärke. Wie bei Kagel, so leuchteten die Trie-rer auch hier die Farben der Partitur aus - mit bemerkenswert reichem Resultat. Der Beifall der gut 600 Besucher fiel enthusiastisch aus, das Theater war fast voll besetzt. Die Trierer Sinfoniekonzerte bleiben attraktiv - auch für Luxemburg-Abonnenten. mö

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