Vinyl der Woche: Rammstein – Rammstein Erlaubt ist, was gefällt – und was sich verkauft

Berlin · Das meistverkaufte Album des Jahres 2019 war gleichzeitig das wohl meistdiskutierte. In der Serie Vinyl der Woche geht es heute um Rammstein von Rammsten. Wieso es keine neue Stufe der Geschmacklosigkeit darstellt, sich als KZ-Insassen zu verkleiden.

 Das Cover des Albums "Rammstein" der gleichnamigen Band

Das Cover des Albums "Rammstein" der gleichnamigen Band

Foto: dpa/-

Eigentlich war das siebte Studioalbum von Rammstein schon vor der Veröffentlichung verflucht. Mit Deutschland war die Band einen Schritt zu weit gegangen, sagten Kritiker. Eine widerliche Geschmacklosigkeit, sich im Video als vor der Hinrichtung stehende KZ-Insassen, erkennbar durch Judenstern zu zeigen. Und dann die Zeile „Deutschland, Deutschland über allen“ in Anlehnung an die erste Strophe der Nationalhymne. 

Ob das erlaubt ist? Dazu später mehr. Auf jeden Fall verkauft es sich. Mit dem gleichnamigen Album Rammstein hat es die Band auf Platz Eins der deutschen Vinyl-Jahrescharts geschafft.

Dass Provokation und das Austesten von Grenzen ein Verkaufsschlager sein können, haben die Schock-Rocker unzählige Male bewiesen. Klar kann man die Meinung vertreten, dass alles, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hat, ein Tabu ist. Aber ist das eine neue Stufe? Ich sage nein.

Auch „Inzest-Monster“ Josef Fritzl wurde in Wiener Blut 2009 thematisiert. „Ich leg’ dein Fleisch in Salz und Eiter, erst stirbst du doch dann lebst du weiter“, sang Rammstein in Ich tu dir weh (2009). In Spiel mit mir vom Album Sehnsucht (1997) heißt es: „Brüderlein, komm fass mich an. Rutsch ganz dicht an mich heran“. Rammstein schockiert? Nix Neues.

Musikalisch bietet das Album keine Überraschungen. Zum Glück! Denn Ohrwurm-Garantien wie in Ausländer, ausgefallene Synthesizer wie in Weit weg, aggressive Gänsehaut-Momente wie in Puppe und die einzigartige Verbindung von harten Riffs und tanzbaren Beats wie im vielleicht besten Song der Platte Radio – all das gehört zu einem echten Rammstein-Werk.

Das ist nicht uneinfallsreich, sondern gewollt. Lindemann und Co. haben seit 25 Jahren Erfolg mit der Kombination aus diesen musikalischen Elementen und den Schock-Texten. Das Artwork könnte kaum unkomplizierter sein. Außen ein Streichholz auf weißem Grund, innen die Bandmitgleder in Ecken gepfercht. Die Platte nur weiß mit Logo. In der Einfachheit liegt die Kunst.

Darf man das jetzt alles singen? Das passendste Rammstein-Zitat beantwortet diese Frage: „Erlaubt ist, was gefällt“. Und es gefällt Millionen.

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