Es fehlt an Geld und an Visionen

Trier · Großer Rückhalt, viel Lob, aber auch manche Kritik für das Theater Trier, zusätzliches Geld vom Land und viele nach wie vor offene Fragen - das ist die Bilanz des von den Theaterfreunden und dem TV veranstalteten Forums am Dienstagabend.

Trier. "Spar-Opfer Kultur? - Wie geht es weiter mit dem Theater Trier?" Dass diese Frage am Ende einer über zweistündigen Diskussion (geleitet von Susanne Rendenbach) im zu zwei Dritteln besetzten Großen Saal des Theaters abschließend beantwortet sein würde, hatte wohl niemand ernsthaft erwartet. Dennoch gab es neben einigen Neuigkeiten zumindest Denkanstöße für die Beteiligten bei Stadt und Theater. Die vordergründig wichtigste Nachricht brachte Kajo Pieper mit, Theaterbeauftragter des Landes. Zusätzlich zur bisherigen Planung stelle das Land im kommenden Jahr 220 000 Euro zur Verfügung, 2013 noch einmal 100 000 Euro mehr als bisher vorgesehen. Das Geld soll laut dem Trierer Kulturdezernenten Thomas Egger direkt in den Etatposten für "Sonstige Beschäftigte" - also für die Unterstützung des festen Ensembles durch Gäste - fließen. Der hätte laut seinen Sparvorgaben eigentlich um 500 000 Euro gekürzt werden sollen. Insgesamt will Egger dennoch erreichen, dass das Theater mit 800 000 Euro weniger auskommt, als zunächst vom Amt bei der Haushaltsaufstellung 2012 angemeldet. 220 000 Euro weniger einzusparen - eine Nachricht, die Theaterintendant Gerhard Weber mit Erleichterung aufnahm - auch wenn sie die finanzielle Lage nur teils und auch nur für das kommende Jahr verbessert.
Diese Perspektive aber, da waren sich alle einig, greift zu kurz. "Sie müssen sich fragen: Wo sind wir in fünf Jahren?", sagte beispielsweise Martin Dehli von der auf den Kulturbereich spezialisierten Unternehmensberatung actori aus München. "Sonst haben Sie dieselben Diskussionen schon im nächsten Jahr wieder."
Die Schere immer im Kopf


Eine Vision zu haben, wie das Theater in Trier in Zukunft aussehen soll - das forderte auch TV-Kulturexperte Dieter Lintz, gerichtet vor allem an Weber und Egger. Bei Letzterem war allerdings die haushaltspolitische Schere im Kopf zu spüren. Realistisch, finanzierbar, umsetzbar - ohne diese Attribute gebrauchte Egger das Wort Visionen erst gar nicht. Bei Themen wie der anstehenden Generalsanierung des Theaters war ihm wie auch den anderen eine gewisse Ratlosigkeit anzumerken. 30 bis 40 Millionen Euro koste ein Neubau, sagte Egger. Nicht finanzierbar. Daher gehe er davon aus, dass eine schrittweise Sanierung im Bestand anstehe, verteilt über Jahre womöglich, Kosten rund 20 Millionen Euro. Seine kreativste Phase hatte der Dezernent noch bei der von Dieter Lintz und Intendant Weber ins Spiel gebrachten Suche nach einem dritten Saal für etwa 200 Besucher. "Damit könnten wir das Ensemble wesentlich effektiver einsetzen", sagte Weber. "Vielleicht ergeben sich Möglichkeiten in der Europahalle oder im Forum", meinte Egger. Auch die Status-Änderung des Theaters zu einem städtischen Eigenbetrieb brachte er ins Spiel, ohne dass sich die Vorteile direkt beziffern ließen.
Ohnehin waren sich die Experten einig - nicht nur im großen Lob für die künstlerische Qualität des Theaters, sondern auch bei den Kosten. Angesichts unabänderlicher Ausgabensteigerungen beim Personal gelte: "Wenn man ein vernünftiges Theater betreiben will, geht das nur mit jährlichen Mehrausgaben", wie Kajo Pieper formulierte. Großer Spar- und Veränderungswille war also selbst beim Land nicht erkennbar - TV-Redakteur Dieter Lintz gingen Harmonie und Lethargie da zu weit.
Kritik an Vermarktung


Die touristische Vermarktung des Theaters sei praktisch nicht vorhanden, die Probleme beim Kartenverkauf ungelöst, es gelinge nicht, universitäres Publikum anzulocken und die Identifikation der Trierer mit ihrem Theater sei auch verbesserungswürdig. "Trotz beachtlicher Wahrnehmung in der Presse (…) wird das Theater von den Bürgern eher als vertrautes Möbelstück denn als soziale und kulturelle Begegnungsstätte wahrgenommen", zitierte er aus einer Dissertation einer Kulturwissenschaftlerin. Anmerkungen, die unwidersprochen blieben - aber auch ungelöst.
Video ab 14 Uhr: www.volksfreund.de/video
Meinung

Packt endlich an und ändert was!
Das Trierer Theater - ein vertrautes Möbelstück, das dringend der Restaurierung bedarf. Das Bild war so treffend, dass es gleich mehrfach beim Forum eingesetzt wurde. Nun gibt das Land für 2012 einen erhöhten Zuschuss. Damit können - um im Bild zu bleiben - ein paar Kratzer ausgebessert werden. Doch dass in diesem Möbel generell der Wurm drin ist und es mehr braucht als ein paar Schönheitsreparaturen, dieses Problem ist nach wie vor ungelöst. Wie die Diskussion zeigte, gilt das natürlich vor allem für die bauliche Seite des Hauses. Aber nicht nur: Auch der Dezernent und seine Verwaltung, die interne Organisation und der Intendant haben einige Baustellen vor sich. Baustelle Weber: So wie mit der West-Side-Story erstmals seit Jahren gelungen, muss sich das Theater viel öfter breit aufstellen und bei vielen Menschen in der Region positiv ins Gespräch kommen. Zugleich aber auch wieder zum Ausgangspunkt und Zentrum intellektueller Debatten für die rege Trierer Kulturszene werden - wo war das Theater in den vergangenen Jahren wirklich provokativ, hat über den Aufführungssaal hinaus ausgestrahlt? Baustelle Egger: Der Dezernent ist bald zwei Jahre im Amt, hat Ideen und Konzepte angekündigt - es wird Zeit, auch einmal zu liefern. Das Theaterkasse genannte Kartenverkaufsverhinderungssystem ist das beste Beispiel - ein Ding der Unmöglichkeit, das in seiner Verantwortung liegt. Innovation und Tatkraft sind beim Theater gefragt. Verantwortliche, die endlich mal anfangen und etwas ändern. Die dem Theater, seinen Mitarbeitern und seinen Fans ein neues Wir-Gefühl geben. Und ihnen die Angst vor sparbedingten Veränderungen nehmen. Ehe das gute Möbelstück Theater ein Fall für den Sperrmüll ist. m.schmitz@volksfreund.deExtra

Christina Ecken, 41, Trier: "Beim Theater scheint es auch intern Probleme zu geben." Günter Kaschel, 71, Trier: "Wie es finanziell weitergehen soll, habe ich nicht erfahren." Katya Engelmann, 20, Trier: "Die Diskussion war pure Farce und Heuchelei. Bei konkreten Vorschlägen machen die Politiker dicht." Johannes Metzdorf-Schmithüsen, 70, Trier: "Es ist wichtig, das Thema Theater zu einer Bürgerangelegenheit zu machen." Claudia Kratz, 45, Schweich: "Die Diskussion war sehr weichgespült. Das war mir zu brav. Es scheint viele bürokratische Hürden zu geben." memExtra

10 800 Menschen haben mit ihrer Unterschrift gegen die Sparpläne am Theater protestiert. Die Unterschriften übergab Intendant Gerhard Weber beim TV-Forum an Kulturdezernent Thomas Egger. Das Theater, das mit großen Teilen des Ensembles im Publikum vertreten war, hat sich außerdem Unterstützung prominenter Fürsprecher besorgt, darunter Kammersänger Franz Grundheber, Sängerin Anja Kampe, Schauspielerin Dunja Rajter oder Entertainer Guildo Horn, deren Botschaften verlesen wurden. "Bewahren Sie sich in einer 2000 Jahre alten Stadt die Kostbarkeit von Kultur als Anker gegen Gedankenlosigkeit und Niveaulosigkeit!", mahnt beispielsweise Franz Grundheber. "Trierer, passt auf, dass aus drei Sparten nicht die zwei Ersparten werden!" schreibt Opernsänger Siegmund Nimsgern. Die kompletten Botschaften finden Sie auf www.volksfreund.de/theater

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