Ex-Gladiator Marco van den Berg Vom Profi-Trainer zum Roman-Autoren
Trier/Schweich · Marco van den Berg – Basketball-Trainer und Ehemann von Politikerin Katarina Barley – hat seinen ersten Roman geschrieben. Wie er sich einen Traum erfüllte, wie er sein Aus bei den Gladiators im Rückblick bewertet und wem er versprochen hat, vorerst nicht mehr als Profi-Trainer zu arbeiten.
Wenn es zu Ende geht, irgendwann. Wenn die Zeit knapp wird, und jede Zelle weiß es. Dann ist es vermutlich gut, wenn es im inneren Monolog eine stimmige Antwort auf die Frage gibt, warum eigentlich dieses eine gute, alte Lebensziel nur so lauwarm angegangen wurde. So semi-ambitioniert, so drittelherzig: Etwa, das Buch zu schreiben, den Roman, der immer in ihr oder ihm schlummerte.
Das ist natürlich etwas pathetisch, Marco van den Berg, Jahrgang 1965, ist auch sehr weit davon entfernt, vom Ende. Aber das mit dem eigenen Roman war keine fixe Idee, als er kurz nach Weihnachten 2021 und seiner Beurlaubung beim Basketball-Zweitligisten Gladiators Trier ohne Job dastand. Mit diesem „Riss im Lebenslauf“, sagt er, der ihn ein paar Tage lang mit so leeren Augen durch die Welt streifen ließ, „dass mich schon mein Nachbar darauf ansprach“. Nun ist der Niederländer mit Wohnsitz in Schweich niemand, der sich ins Selbstmitleid stürzt – da gibt es für ihn spannendere Philosophien, die ihn durchs Leben tragen.
Warum bin ich Basketball-Trainer und nicht Schriftsteller?
So meldete sich nach ein paar Tagen wieder die innere Stimme, wie schon vor knapp 20 Jahren: „Mensch, warum bin ich Basketball-Trainer? Ich sollte doch meine intellektuelle Kapazität zur Fantasie zu Papier bringen. Ich hatte 2004/2005 schon mal ein Sabbatjahr genommen, um zu schreiben. Da hatte ich als Basketball-Trainer schon Erfolge in den Niederlanden“, erinnert er sich. Aber das ist eben nur eine Facette. Er setzte sich an eine alte „Remington“, fast wie der von ihm verehrte Ernest Hemingway – und noch heute tippt van den Berg seine erste Fassung ausschließlich auf der Schreibmaschine. Er schrieb in seiner Muttersprache Niederländisch, nach über der Hälfte und einigen Monaten zog er Zwischenbilanz: Der Traum landete im Papierkorb. Und er wieder auf dem Parkett. „Ich fand es nicht gut genug“, erinnert er sich. „Immerhin hatte ich es versucht. Aber die Geschichte blieb in meinem Kopf.“
Roman spielt im Wende-Sommer 1990
Beim zweiten Mal, nach dem Aus in Trier, machte er einiges anders. Das Wichtigste: Er schrieb auf Englisch, in der „Stiefmuttersprache“, sagt er. Nur so konnte „In Search of Achilles“ fertig werden. Der Roman ist im Oktober beim kalifornischen Verlag Köehlerbooks veröffentlicht worden. Eine Übersetzung ist vorerst nicht geplant. So ist der 370-Seiten-Roman eher nicht überall vorrätig. In der Buchhandlung in Schweich aber schon, dafür hat er gesorgt.
Die Geschichte, die im Sommer 1990 in einer mittelgroßen niederländischen Stadt und in Berlin spielt, steckte schon damals tief in ihm.
Es war auch seine Suche, auch wenn das Buch nicht autobiografisch sei. Eine „Studie in Einsamkeit“ sei es, in Zeiten gravierender gesellschaftlicher Umwälzungen. Einsam war er, auf seiner Suche, auch „wenn ich in der Liebe immer Glück hatte“: „Ich habe Tatsachen aus meinem Leben genommen und sie mit meiner Fantasie eingefärbt. Fast alle Protagonisten sind ein Amalgam.“ Da seien Eigenschaften vieler Charaktere eingeflossen, auch bei Achilles, der Freund des Protagonisten Johan van Geesteren, der natürlich nicht zufällig wie der Held aus der griechischen Mythologie heißt.
Die beiden Leidenschaften – Literatur und Profisport – zu kombinieren, das ging für van den Berg nicht. Zeitlich vielleicht schon, da gibt’s immer Pausen zwischen den Trainingseinheiten, aber nicht vom Kopf her. Da war auf der einen Seite das Basketball-Coaching, bei dem es so sehr auf Psychologie ankomme, auch auf Pädagogik und natürlich auf sportliche Expertise. Und dann war das Schreiben – wo er seine Liebe zur Philosophie, zur Mythologie und seine Gesellschaftskritik literarisch verarbeiten konnte.
Das war schon zu Studienzeiten so: Van den Berg hatte Journalismus studiert, ohne Journalist werden zu wollen. Hatte danach Geschichte studiert, um Fachwissen zu sammeln, „aber nie, um das mal zu unterrichten“. Den Wissenshunger hat er sich immer bewahrt, er ist Gasthörer in komparativer Philosophie in Antwerpen.
Es geht um Lebenswege im Buch, um Sinnsuche, aber lockerleicht geschrieben, ohne Hybris, ohne Dogmen. Ein Freund von ihm ist schon damals, mit Anfang 20, Buddhist geworden und geblieben. Das wird im Buch thematisiert. Andere setzten alles auf den Materialismus, auf finanziellen Erfolg, um einen Spitzenplatz im „rat race“. Oder auf Hedonismus.
„Die östlichen Philosophien haben sehr viel zu bieten, aber unsere Tradition auch. Ich bin kein Christ, aber ich finde es schade, dass die traditionellen christlichen Werte verloren gehen“, sagt van den Berg. Demut etwa, Respekt, Nächstenliebe. „Die Kirche hat ihr Narrativ nicht ans Heute angepasst.“ Dabei brauche die Welt dringend gemeinsame Werte, „eine Moralsprache, die alle Kulturen verstehen können – davon sind wir weit weg.“ Wenn es im Gespräch mit dem TV-Reporter ums Thema Social Media geht, bricht der Kulturpessimismus durch: „Das sind Foren für Beschimpfungen und Lügen, in denen Menschen manipuliert werden. Es ist inzwischen normal geworden, dass man lügt und damit durchkommt – siehe Donald Trump.“
Aktuell schreibt Marco van den Berg an seinem zweiten Roman, da gab’s keine jahrzehntealte Blaupause im Kopf. „Es wird um das Thema Freiheit gehen“, sagt er. Auch der Zeitrahmen sei größer. Der Roman spiele zwischen 1985 und 2012.
Warum er so schnell nicht wieder ins Trainergeschäft zurückkehren will
Das liegt an einem Versprechen, das van den Berg seiner Tochter gegeben hat, die bei ihrer Mutter – seiner Ex-Frau – in Groningen lebt. „Ich habe ihr versprochen, dass ich keine Mannschaft coachen werde, bis sie 18 ist – das sind noch zwei Jahre. Ich will bis zu ihrem Abi zur Verfügung stehen.“ In der Basketball-Blase, in der an neun Monaten im Jahr praktisch alle Wochenenden verplant sind, geht das nicht. „Ich war in schwierigen Jahren nicht für sie da, etwa in der Pubertät.“
Mit dem Trierer Basketball fühlt er sich weiterhin verbunden, den hat er in insgesamt knapp fünf Jahren als Gladiators-Trainer mitgeprägt. Das Motto „Invictus“ geht maßgeblich auf ihn zurück. „Ich habe mit Leib und Seele für den Club gearbeitet“, sagt er. Enttäuscht war er damals, aber nicht verbittert: „Im Nachhinein war es logisch. Ich werfe niemandem etwas vor.“ Der Club habe sich ihm gegenüber auch fair verhalten. So ist Basketball immer noch ein Thema für ihn, natürlich: Er schwärmt von der deutschen Leistung (und dem Titelgewinn) bei der Weltmeisterschaft, schaut auch noch die Spiele der Trierer Gladiators an.