Explosives Gemisch

Trier · Eine sehr unbekannte Oper mit zwei sehr bekannten Melodien: Das ist "Lakmé" von Leo Dé libes. Das in Indien spielende Drama um Religion, Liebe und den Konflikt verschiedener Zivilisationen kommt demnächst im Theater Trier auf die Bühne.

Auch wer in seinem Leben die Oper gänzlich gemieden hat, kennt Lakmé. Die koloraturverzierte Glöckchen-Arie und das stimmungsvolle Blumen-Duett zieren Dutzende von Hollywood-Filmen ("Meine Braut, ihre Eltern und ich", "Lara Croft"), Fernsehserien ("Six feet under") oder Werbespots (Ford Mondeo) - bevorzugt da, wo romantische Gefühle erzeugt werden sollen.

So hat denn die - in Frankreich häufiger gespielte - Oper den Ruf von kitschiger Orient-Folklore. Zu Unrecht, davon ist Regisseur Bruno Berger-Gorski überzeugt. "Das Libretto", sagt er, "hat eine unübersehbar politische Dimension". Tatsächlich: Wenn man genau hinschaut, bietet das explosive Handlungsgemisch um die Hohepriester-Tochter Lakmé, die sich in einen englischen Besatzungssoldaten verliebt, vielerlei Parallelen zu aktuellen Diskussionen über religiösen Fanatismus auf der einen und kulturelle Ignoranz auf der anderen Seite.

Ein Regisseur, der für produktive Unruhe sorgt



Das ist der Stoff, aus dem Berger-Gorski seine Inszenierungen schneidert, die mit ihrer politisch-gesellschaftlichen Zuspitzung auch schon mal für Ärger sorgen. Bei Offenbachs Trie rer "Rheinnixen" gab es 2005 ein paar knallende Türen, weil die Regie sich traute, zu zeigen, wie es in Landsknechts-Kriegen zugeht. Auch beim Kaiserslauterner "Troubadour", der Prager "Norma" und dem Bonner "Rigoletto" sorgte der Wahl-Wiener für produktive Unruhe.

Berger-Gorski ist nicht nur an europäischen Häusern gut im Geschäft. Gefragt ist er vor allem als Opern-Entwicklungshelfer in Ländern wie Uruguay, Korea und Brasilien. Oft unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen. Aber hochspannend für einen, der sich für die gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort interessiert.

Da passt es, dass er gerade "Tosca" im indischen Mumbai (Ex-Bombay) inszeniert hat. Und mit jeder Menge Ideen für "Lakmé" zurückkam. Die er natürlich im harten Alltag des Indiens von heute ansiedelt, der sich auch im Bühnenbild des profilierten Kaiserslauterner Ausstattungschefs Thomas Dörfler wiederfindet.

Eine wichtige Rolle spielt die gesellschaftliche Stellung der Frauen. Der Regisseur habe sie in Sachen Indien "auf Dinge aufmerksam gemacht, die selbst einer regelmäßigen ,Zeit'-Leserin wie mir unbekannt waren", sagt Adréana Kraschewski. Wer dort als Mädchen auf die Welt komme, sei "gestraft fürs Leben". Den aktuellen Ansatz der Regie trägt sie in der Titelrolle überzeugt mit - auch wenn sie bei anderen Produktionen bisweilen skeptisch ist gegenüber "Regisseuren, die sich austoben".

Seit Kraschewski das Trierer Ensemble vor zwei Jahren verlassen hat, konnte sie an ihrem Stammhaus in Darmstadt exzellente Kritiken als "Maria Stuarda" verzeichnen, sang diverse Königinnen der Nacht und viele Konzerte. Im Juni gibt sie ihr Debüt am Liceu in Barcelona, mit einer zeitgenössischen Uraufführung - auf katalanisch. "Wahnsinnig schwer" sei das zu singen, eine viel härtere Arbeit als die halsbrecherischen Lakmé-Koloraturen.

Dafür dürften allerdings in Trier die darstellerischen Herausforderungen größer sein, denn Berger-Gorski pflegt seine Akteure nicht zu schonen. Von Kraschewski, mit der er zum ersten Mal zusammenarbeitet, ist der Regisseur regelrecht begeistert - und auch sonst scheint es diesmal mit dem Trierer Haus reibungsloser zu funktionieren als bei den spannungsgeladenen Rheinnixen vor sechs Jahren.

Extra

Der Franzose Leo Délibes ist in erster Linie durch seine Ballettmusik bekannt geworden. Die 1883 entstandene "Lakmé" (die zeitliche Nähe zu Offenbachs "Hofmanns Erzählungen" lässt sich musikalisch nicht überhören) war bei den Zeitgenossen ein weitaus größerer Erfolg als Bizets "Carmen". In Trier übernimmt Victor Puhl die musikalische Leitung, in weiteren Hauptrollen sind Andreas Wagner (als Gast), Claudia-Denise Beck und Alexander Trauth zu sehen. Termine: 22., 25., 29. Januar; 4., 11. Februar; 11. März; 2. April. (DiL)

Inhalt der Oper

Lakmé, Tochter des fundamentalistischen Brahmanen-Priesters Nilakantha, lernt den englischen Offizier Gerald kennen, der aus Neugier und Leichtsinn mit Freunden in das Hindu-Heiligtum eindringt, in dem sie zurückgezogen lebt. Beide verlieben sich, aber Lakmés Vater will die Verletzung der religiösen Stätte blutig rächen. Lakmé muss Gerald in eine Falle locken, pflegt aber später den Verwundeten gesund. Doch als Gerald "pflichtbewusst" in seine Welt und zu seiner Verlobten zurückkehrt, tötet sich die verlassene Lakmé. Ihr Vater preist das Schicksal, das seine Tochter vor "Schande" bewahrt hat. (DiL)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort