Familientreffen mit Klassik-Stars

Wittlich · Die Region ist um eine spannende Kultur-Spielstätte reicher: Das neue Eventum in Wittlich bestand am Wochenende seine Feuerprobe als Konzertsaal mit Bravour. Das Publikum feierte ein dreistündiges Programm des Orchesters M 18, das sich in Sachen künstlerische Qualität hinter keiner Metropole verstecken muss.

Wittlich. Es ist, ohne Frage, die ungewöhnlichste Halle der Region. Oberirdisch ist das Eventum rundum verglast, der eigentliche Mehrzweckveranstaltungsraum liegt komplett im Souterrain. Das hat bei Tageslicht etwas von einem Schwimmbecken, in dem das Wasser fehlt, aber bei Dunkelheit, mit stimmungsvoller Beleuchtung, lässt sich daraus ein atmosphärisch dichter Raum zaubern.
Die Akustik ist respektabel. Natürlich fehlen das geschlossene Klangbild und die stützende Wirkung eines reinen Konzertsaals, und das Orchester muss sich sehr zurückhalten, wenn es leisere Solisten nicht zudecken will. Aber damit kann man umgehen, wie Dirigent Dirk Kaftan eindrucksvoll dokumentiert.
Simple, aber geniale Idee


Kaftan, gerade frisch als Generalmusikdirektor ans renommierte Grazer Opernhaus berufen, führt eine Besetzungsliste an, hinter der eine so simple wie geniale Idee steht. Alle Solisten des Abends sind zwischen Lüxem und Osann-Monzel groß geworden, in den 1970er Jahren geboren, haben ihre ersten Meriten an der Kreis-Musikschule Bernkastel-Wittlich erworben - und gehören inzwischen zu den Spitzenkräften in der Musikszene der Republik. Sie sitzen an den vorderen Pulten großer Orchester, wie Flötistin Claudia Reuter (bei der Berliner Staatskapelle) oder Klarinettist Matthias Ambrosius (bei den Münchner Philharmonikern).
"Eine Art Familientreffen" nennt das Trompeter Thomas Hammes im Interview mit Moderator Manuel Klein. Der 34-Jährige stellt mit einem Konzertstück des Armeniers Alexander Arutjunjan unter Beweis, warum er inzwischen zu den Größten der Zunft gehört. Was für ein intensiver, faszinierend lautmalender Musiker, der mir fast provokativer Lässigkeit auf der Bühne steht, zwischen kompliziertesten Sequenzen mal eben, die Hand in der Hosentasche, mit den Geigerinnen flirtet. Sähe er ein bisschen mehr aus wie David Garrett, der nächste deutsche Superstar wäre Trompeter und käme von der Mosel.
Die Wittlicher leisten sich an diesem Abend den mutigen Luxus, kein austauschbares Schmankerl-Programm zu bieten, sondern eine Musik-Auswahl mit höchster Ambition. Und die Rechnung geht prächtig auf, etwa mit Saxofonistin Anne Kaftan, die bei Nigel Woods Fantasie "Under the veil" einen orientalischen Markt virtuos lebendig werden lässt. Das Orchester legt dazu einen grandiosen, quicklebendigen Klangteppich, teilweise buchstäblich von Hand gefertigt.
Und noch ein Highlight: Altistin Marion Eckstein, ansonsten bei den Salzburger Festspielen oder im Teatro Real in Madrid zu Hause, zelebriert nicht nur punktgenau Rossinis "Cruda sorte"-Arie, sondern tupft auch eine Version von Bernsteins "Some where" auf die Bühne, die in ihrer schlichten Innigkeit meilenweit entfernt liegt vom gefälligen Musical-Tralala.
Auch da macht das junge Orchester mit dem ungewöhnlichen Namen M 18 auf sich aufmerksam. Der in Bamberg beheimatete Zusammenschluss von Musikern aus dem ganzen Land stellt sich so sensibel wie flexibel auf die permanent wechselnden Anforderungen ein, ist in allen Sätteln gerecht, stößt allenfalls bei Artie Shaws Big-Band-Swing an Grenzen.
In eine neue Welt entführt


Und dann, nach der Pause, ein echter Solitär. Dirigent Dirk Kaftan und seine 60 Musiker entführen das Publikum nach Amerika, mit Dvoráks Sinfonie "Aus der neuen Welt". Schon nach Sekunden merkt man, warum der ehemalige Korrepetitor am Trie-rer Theater als eine der größten deutschen Dirigenten-Hoffnungen gilt. Kaftan ist ein Millimeter-Arbeiter, da ist nichts Verwaschenes, stattdessen kräftige Akzente, scharfe Kontraste - und dennoch höchst elegante Übergänge.
Er kommuniziert ohne Unterlass mit dem Orchester, und das folgt ihm bedingungslos. Die jungen Musiker spielen sich die Seele aus dem Leib - als entdeckten sie tatsächlich eine neue Welt.
Und ein bisschen als Entdecker dürfen sich an diesem Abend auch die Eventum-Besucher empfinden.

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