Farbenreiche Erinnerungen

Mit Werken von Haydn, Gluck und Rameau entfalteten Marc Minkowski und seine "Musiciens du Louvre" in der Luxemburger Philharmonie ein Panorama der damals führenden Musikkultur - reich an Klangfarben, anschaulich und bei aller Deutlichkeit frei von Forcierungen.

Luxemburg. Welche Spannweite zwischen Volkstümlichkeit und kluger, gelehrter Kompositionskunst! Marc Minkowski und seine "Musiciens du Louvre" geben Haydns Variationen über das französische Lied "La gentile et belle Lisette" eine Fülle an Stimmungen mit. So vielfältig und eingängig, dass deutlich wird, warum die französische Königin Marie-Antoinette den Mittelsatz aus der Sinfonie 85 zum Lieblingsstück erklärte und damit dem Werk zum Beinamen "La Reine" verhalf. Und auch in den drei übrigen Sätzen klingt Haydns große Kunst in einem Reichtum an, der alle Klischees, vor allem das vom "Papa Haydn", erledigt. Der exzellent geschulte Streichersatz der "Musiciens du Louvre" beherrscht den rhetorischen Glanz der charakteristisch französischen Melodie-Raketen genau so wie die polyphonen Feinheiten der Partitur, beherrscht dramatische Drastik genau so wie den Tonfall gelassener Intimität. Das Trio im Menuett strahlt ländliche Nostalgie aus, so, als würde sich Haydn darin seiner eigenen Herkunft vergewissern. Und das geistreiche Finale - die "Musiciens" präsentieren es mit leichter Hand, um dann, im Mittelteil, in dem Haydn eine kontrapunktische "tour de force" vollzieht, energisch, fast grimmig aufzutrumpfen. Minkowski und seine Instrumentalisten aus Grenoble haben einen brillanten und unverspannt ausschwingenden Musizierstil entwickelt. Kunst wird, ganz im Sinn des 18. Jahrhunderts, zur Nachahmung der Natur. Und hätte sich im Großen Saal der Luxemburger Philharmonie der runde von Hörnern beeinflusste Grundklang des klassischen Sinfonieorchesters eingestellt, hätten die Bläser nicht nur exzellente Soli präsentiert, sondern auch als Gruppe die Präsenz des Streicherkörpers aufgeboten, das Zuhörerglück wäre vollkommen gewesen. Unkonventioneller Dirigierstil

Aber dann breiten die "Musiciens" in Christoph Willibald Glucks Ballettmusik zu "Don Juan" und Jean-Philippe Rameaus "Symphonie imaginaire" einen berückenden Farbenreichtum aus. Marc Minkowskis unkonventioneller Dirigierstil vermittelte die oft übersehene theatralische Anschaulichkeit der Gluckschen Komposition und erhebt die "Symphonie" Rameaus (die er aus Opern-Instrumentalstücken zusammenstellte) zum illustrativen, fast filmmusikalischen Ereignis. Die Soloflöte und die beiden Violingruppen pinseln feine Klang-Aquarelle. Piccoloflöte und Rührtrommel beschwören stilisierte Exotik. Und immer wieder gelingen den "Musiciens du Louvre" Momente von Eleganz, Delikatesse und bewegender Zärtlichkeit. Sie vor allem bleiben nach dem Schlussakkord in bester Erinnerung.

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