Welterbe Ein unverhofftes Geburtstagsgeschenk

Trier · Rund 800 Jahre lang diente die Porta Nigra als Doppelkirche. Schwer vorstellbar heute, wo doch Napoleon 1804 ihren Abriss verfügte, um das römische Stadttor darin wieder zur Geltung zu bringen. Ein neu installiertes 3D-Modell hilft der Fantasie der Besucher nun auf die Sprünge.

 Weihen am Freitag das neue 3D-Modell der Porta Nigra als Doppelkirche ein: Dr. Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier (von links), Dr. Karl-Uwe Mahler von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Stabsstelle Unesco-Welterbe Trier, und Professor Frank Hirschmann vom Historischen Seminar der Universität Heidelberg.

Weihen am Freitag das neue 3D-Modell der Porta Nigra als Doppelkirche ein: Dr. Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier (von links), Dr. Karl-Uwe Mahler von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Stabsstelle Unesco-Welterbe Trier, und Professor Frank Hirschmann vom Historischen Seminar der Universität Heidelberg.

Foto: Anne Heucher

Eigentlich hätte die Porta Nigra dieses Jahr groß gefeiert werden sollen. Denn sie hat Geburtstag – ist nun 1850 Jahre alt. Wegen Corona wurden die geplanten Veranstaltungen abgesagt. Umso mehr zeigt sich Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums in Trier, erfreut, im Innenraum des römischen Stadttors doch noch ein Geburtstagsgeschenk feierlich enthüllen zu können, das Besuchern eine lange, verschwundene Epoche der Porta-Geschichte plastischer ins Bewusstsein bringen könnte: ein 3D-Modell der einstigen Doppelkirche. Im Rahmen der Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa“, die derzeit in Mainz zu sehen ist, wurde die Porta als „Korrespondenzort“ erkoren, an dem sich die Faszination Mittelalter besonders gut verorten und erlebbar machen lässt. Rund 30 000 Euro hat das Land zur Verfügung gestellt, um das 1,76 Meter lange, 1,20 Meter breite und 1,60 Meter hohe Modell aus hochwertigem weißen Acrylstein, einer Mischung aus Stein und Kunststoff, fertigen zu lassen. Es zeigt im Chorraum der einstigen Unterkirche, in die die Normalbürger gingen (im Gegensatz zu der Oberkirche für die Stiftsherren des benachbarten Simeonstifts), wie der Bau im Mittelalter wohl aussah, und bietet zusätzliche Informationen in mehreren Sprachen (Englisch, Französisch, Niederländisch, Deutsch und in leichter Sprache) sowie filmische Visualisierungen. Das Modell soll dauerhaft am neuen Ort bleiben.

„Ein solches Modell hat hier gefehlt“, sagt Dr. Karl-Uwe Mahler von der Stabsstelle Unesco-Welterbe Trier der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE). Dieses „ausgesprochen schöne Modell“ schaffe ein „wichtiges sinnliches Erlebnis“, das Besuchern den Zugang zur Geschichte erleichtere. Es werde ergänzt durch die Porta-App, aus der vor Ort einige Filmsequenzen auch über einen Bildschirm zu sehen sind. Wenn Corona vorbei ist, soll auch ein Touchscreen gezieltes Abrufen von Filmen ermöglichen.

Mittelalterlich ist die dargestellte Porta-Kirche streng genommen nicht, denn Bilder aus der Zeit vor 1500 existieren nicht. Das Modell zeigt den Stand des 17. Jahrhunderts, also der Zeit, bevor die Kirche barock aufgehübscht wurde. Die älteste Quelle über das Aussehen sei der Merian-Stich aus den Jahren vor 1650, erklärte Frank Hirschmann, Professor für Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Aber Merian war selbst für seine Zeichnung nicht nach Trier gekommen, sondern hatte etwa 100 Jahre ältere Vorlagen verwendet. „Trotzdem glauben wir, dass dieses Modell dem mittelalterlichen Aussehen mit großer Wahrscheinlichkeit entspricht“, sagt Hirschmann, der die Geschichte der Kirche, die teilweise auch noch am Mauerwerk ablesbar ist, Revue passieren lässt.

Kaum war der Mönch Simeon am 1. Juni 1035 im Ostturm der Porta Nigra gestorben, wohin er sich fünf Jahre zuvor zurückgezogen hatte, setzte sich sein Freund Erzbischof Poppo von Babenberg für seine Heiligsprechung ein. Schon bald erzählte man sich von Wundern, die angeblich an seinem Grab geschehen waren. Mit Erfolg: Prompt sprach Papst Benedikt IX. Simeon ein halbes Jahr nach dessen Tod heilig („die schnellste Heiligsprechung überhaupt“, so Hirschmann), Papst Leo IX. reiste 1049 sogar persönlich nach Trier, um in der zur Simeonskirche umgebauten Porta den Altar zu weihen. Das römische Stadttor war zur Kirche umgebaut worden, die erhofften Pilgerströme blieben allerdings weitgehend aus.

Die Trierer Erzbischöfe zählten im Mittelalter zu den Großen des Reiches, die maßgeblichen Einfluss auf die Königswahl (und damit auf die Option zur Kaiserkrönung) hatten. Die meisten von ihnen waren gut vernetzt und unterhielten enge Beziehungen zum Kaiserhof. Dazu gehörte auch Poppo von Babenberg (1016-1047), dessen große Bauprojekte (Umbau der Porta Nigra, Simeonstift, Westbau des Doms) bis heute das Trierer Stadtbild prägen.

 Auf dieser Ansicht mit den halbrunden Türmen zeigt sich die zur Kirche umgebaute Porta von der Landseite. Links im Vordergrund das Simeonstor, das nach dem Zuschütten der Porta-Tore der neue Stadteingang wurde.

Auf dieser Ansicht mit den halbrunden Türmen zeigt sich die zur Kirche umgebaute Porta von der Landseite. Links im Vordergrund das Simeonstor, das nach dem Zuschütten der Porta-Tore der neue Stadteingang wurde.

Foto: Anne Heucher
 Logo_Faszination_Mittelalter

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Foto: TV/Hartmann, Simon
 Vor der Enthüllung: Das 3D-Modell zeigt die Porta Nigra im 17. Jahrhundert mit der Freitreppe im Süden und dem Friedhofsgelände im Norden sowie der Simeonspforte als Stadttor östlich davon und Teilen der Stiftsgebäude westlich.

Vor der Enthüllung: Das 3D-Modell zeigt die Porta Nigra im 17. Jahrhundert mit der Freitreppe im Süden und dem Friedhofsgelände im Norden sowie der Simeonspforte als Stadttor östlich davon und Teilen der Stiftsgebäude westlich.

Foto: Anne Heucher

Die Tore wurden mit Schutt verfüllt, eine große Freitreppe führte in die Volkskirche im 1. Stock, im 2. Stock befand sich die Kirche für die Stiftsherren des Simeonstifts. Gut 100 Jahre nach Simeons Tod fügte man im Osten der Porta Nigra den romanischen Ostchor an. In späteren Jahrhunderten kamen weitere Anbauten hinzu. 1804 verfügte Kaiser Napoleon I. (Trier war damals eine französische Stadt) den weitgehenden Rückbau in den antiken Zustand.

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