Fats fetzt weiter

NEW YORK. Die Amerikaner verleihen ihren Künstlern gerne Titel. Elvis war der "King of Rock‘n‘Roll", James Brown der "Godfather of Soul", Hank Williams war der "Shakespeare of Country Music". Nur für einen ihrer größten Rhythm & Blues- Künstler ist ihnen nichts eingefallen: Fats Domino.

Fats ist natürlich ein Spitzname. Richtig heißt der Mann mitVornamen Antoine. Und Fats Domino bedeutet dann "ein fettesQuadrat". Über seine beeindruckende Körperfülle hat er sich eherimmer amüsiert. Sein erster Millionseller stammt aus dem Jahr1950 und heißt "The Fat Man" - in der Pop-Hitparade wurde ernicht verzeichnet. Fats Domino stammt aus New Orleans. Eines seiner großen Vorbilder war - vielleicht auch deshalb seine Vorliebe für den Namen Fats - Fats Waller. Der spielte astreinen Rhythm & Blues, Boogie Woogie, frühen Rock\'n\'Roll. Die Kunst von Fats Domino war die sehr persönliche Synthese aus traditionellem Jazz, Latin Rhythms, Boogie Woogie, Blues und - eine ganz wichtige Zutat - Cajun Music.

1955 hatte Domino seinen ersten Top-10-Hit: "Ain\'t That A Shame". Da wurden die Amerikaner erstmals auf diesen Künstler aufmerksam. Das aber auch nur, weil der Weiße Pat Boone eine Coverversion dieser Aufnahme veröffentlichte. Boone wurde Nummer 1 - Domino erreichte Platz 10. Danach aber ging es Schlag auf Schlag: "Blueberry Hill", "Blue Monday", "Whole Lotta Loving" - alles Millionenseller in den 50-er Jahren. Und alleine in den Jahren 1959 und 1960 hatte er 18 Titel in der amerikanischen Hitparade, darunter "I Want To Walk You Home", "Be My Guest", "Walking To New Orleans" und "My Girl Josephine".

Davon haben in Deutschland nur wenige Notiz genommen. Doch in meiner Jugend war der Mann mein Idol. Ich kaufte in den 50er Jahren die kleinen Singles von ihm. Und dann kam die erste Platte von Fats in einer Bildhülle. Ich stellte erstaunt fest: "Das ist ja ein Neger" (in den 50-er Jahren sprach noch keiner von "political correctness", und der Begriff "afroamerikanisch" war uns Jugendlichen völlig fremd). Es war mir vorher egal - und auch nachher. Ich fand ihn einfach gut. Besser als Elvis.

Jahre später saß ich ihm gegenüber und sollte ein Interview mit ihm machen. Mir brach der Schweiß aus. Mir fielen keine Fragen mehr ein. Er hat es gemerkt und begann zu erzählen. Über den Rhythm & Blues; über die Weißen, die diese Musik geklaut haben; über seine Jugendjahre in New Orleans; über seine weltweiten Erfolge und Hits. Es war das beste Interview, das ich je gemacht habe - ohne Fragen zu stellen. Der Mann war Spitzenklasse und Profi durch und durch. Einer vom Radio konnte ihn nicht aus dem Konzept bringen.

Später Erfolg dank eines Werbefilms

Danach war sein Konzert. Er rief dem Publikum zu: "Was soll ich euch spielen?" Und dann ratterte er alle seine großen Hits runter. Am Schluss der Show schubste er wie immer das Piano mit dem Bauch über die Bühne. Die Kölner Philharmonie tobte, Fats lächelte. Sein typisch freundliches Grinsen. Das hat er auch in etlichen Rock\'n\'Roll-Filmen gezeigt, etwa in "Shake, Rattle And Roll!" und "The Girl Can\\\\\\\'t Help It". Dabei war Fats wirklich mehr als der freundliche "Onkel Tom". Im Grunde konnte es ihm egal sein, ob die Weißen mit Coverversionen seiner Hits Erfolge hatten. Die meisten seiner Hits hat er zumindest mitgeschrieben - und damit verdient er auch dann, wenn Pat Boone seine Titel singt.

In die Top 20 der deutschen Hitparade kam er in den 50-er und 60-er Jahren nicht. Das gelang ihm erst 1992 mit "I\'m Walking", der als Soundtrack für einen Werbefilm verwendet wurde. 1986 nahm man ihn in die Rock And Roll Hall Of Fame auf. Ein Jahr später erhielt er einen Grammy für sein Lebenswerk. Im November 1998 überreichte ihm Präsident Bill Clinton in Washington die "National Medal of the Arts". Dabei wurde bekannt, dass Fats noch immer "on tour" durch die USA war. Und morgen wird er feiern - seinen 75. Geburtstag.

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