Faules Spiel im Casting-Studio

TRIER. Mit "Creeps" schickt das Trierer Theater ein neues Jugendstück auf Tour durch die Schul-Aulen und -turnhallen der Region. Das Schauspiel um drei junge Casting-Konkurrentinnen kam bei der Premiere im Studio gut an.

 Männchen machen beim Casting für den allmächtigen Regisseur: Maren (Claudia Felix), Lilly (Hille Beseler) und Petra (Nora Koenig). Foto: Theater

Männchen machen beim Casting für den allmächtigen Regisseur: Maren (Claudia Felix), Lilly (Hille Beseler) und Petra (Nora Koenig). Foto: Theater

Da stehen sie nun, Lilly, Maren und Petra. Jede war überzeugt, aufgrund ihrer Video-Bewerbung den Superjob als Moderatorin einer neuen "Trendfashionmusicshow" namens "Creeps" ergattert zu haben. Doch die SMS vom Sender erweist sich als trügerisch: So wie es aussieht, haben sie es nur bis ins Casting geschafft. Der anonyme Regisseur lässt sie in jeder Hinsicht vortanzen, hetzt sie gegeneinander auf. Die freundliche Fassade bröckelt, der Konkurrenzkampf eskaliert bis hin zu Handgreiflichkeiten. Jede versucht, ihre Chancen zu wahren, bis alle am Ende merken, dass nur der Sender gewinnt und für sie lediglich Statisten-Rollen vorgesehen sind. Steffen Popp inszeniert das mit minimalem baulichen Aufwand - Katharina Hickmanns Ausstattung beschränkt sich, neben typgerecht-originellen Klamotten, auf einen rosa Riesen-Flokati, zwei aufblasbare rote Plastik-Sessel und eine Leinwand. Den Rest machen Licht und Ton, ohne dass einem etwas Wesentliches fehlt. Die Typzeichnungen sind, zumindest aus der Sicht eines erwachsenen Betrachters, etwas holzschnittartig. Die aggressive Zicke aus gutem Haus, die in ihrem Vivien-Westwood-Look auf cool macht und den Moderatoren-Job eigentlich nur will, um endlich mal "ihr eigenes Ding" zu machen. Die verkopfte Öko-Tussi, die "etwas bewegen" will, in der Schule gescheitert ist und sich bei einem Misserfolg nicht mehr nach Hause traut, weil Mami allen schon erzählt hat, dass ihre Tochter bald ein Fernsehstar ist. Die burschikose Ossi-Pflanze, die "Loofparoade" sagt, wenn sie Loveparade meint und die ahnt, dass sie auf ihrer Bürokauffrau-Lehrstelle besser aufgehoben wäre als im Fernsehstudio. Da müsste man Klischee-Alarm auslösen, würden die Mädels nicht so detailgenau, überzeugend und - trotz allem unterhaltsamen Bühnen-Getöse - unaufdringlich gestaltet. Hille Beseler, Claudia Felix und Nora Koenig spielen ihre Figuren genüsslich und auch schon mal plakativ aus, aber sie nehmen sie ernst, machen sich keine Sekunde über sie lustig. Auch Steffen Popps Regie meidet alle billigen Effekte. Es bleibt vieles ungezeigt, die Zuschauer dürfen und sollen denken, statt einfach nur zu komsumieren. Der vielleicht wichtigste szenische Kunstgriff ist der Verzicht auf den Regisseur im Off. Die Schauspielerinnen sprechen dessen zynische Rolle selbst, als Chor, durch Mikro-Effekte verstärkt. Das muss, so perfekt wie es vorgetragen wird, ein mordsmäßiger Probenaufwand sein.Man kann dem faulen Spiel widerstehen

Aber es lohnt sich, denn so entsteht eine Verfremdung, die all zu gemütliches Zurücklehnen verhindert, die sich aber auch inhaltlich deuten lässt: Der Regisseur und sein Sender sind kein von außen über die Kandidatinnen hereingebrochenes Schicksal. Womit sie beim Casting konfrontiert werden, sind auch ihre eigenen Wünsche und Obessionen. Man kann ihnen zum Opfer fallen, man kann aber auch - diese Möglichkeit deutet die Handlung zumindest an - widerstehen und das faule Spiel nicht mehr mitspielen. Eine Option, auf die Autor Lutz Hübner ohne Zeigefinger hinweist. Wie "Creeps" an der Schule ankommt, wird sich bei der Regional-Premiere am 8. Februar in Daun zeigen. Stimmen von Schülern gibt es dann auf unserer "Szene"-Seite.

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