Kunstwerk der Woche Chikako Kato Feinsinnigkeit und innere Dynamik
Sie ist eine Grenzgängerin zwischen Ost und West. Gerade ist Chikako Kato wieder von einem Besuch im heimatlichen Japan nach Trier zurückgekehrt, wo sie inzwischen mit ihrer Familie lebt.
Die Künstlerin, die 2014 den Ramboux-Preis der Stadt Trier erhielt, ist eine Ausnahmeerscheinung in der hiesigen Kunstszene.
In ihren eigenwilligen wie eigenständigen Arbeiten verbinden sich moderne abstrakte Kunst mit traditioneller japanischer Ästhetik und philosophische Weltbetrachtung. In Hokkaido, der bergigen, nördlichsten Insel Japans ist die studierte Lehrerin geboren. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als freie Künstlerin. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die Malerei.
Katos Gemälde sind mit ihrer feinsinnigen, poetischen, dabei zurückhaltenden Sprache ausgesprochen schöne Bilder. Was der japanische Kunsthistoriker Yukio Yashiro das „allgültig Schöne“ nennt, findet sich mühelos auch in Katos Bildern. Es ist eine komplexe Schönheit. In der Regel entwickelt die Künstlerin aus ihren Motiven variantenreiche Serien. Dabei ist ihr wichtig: „Jedes Bild hat sein eigenes Gesicht.“
Als Form wählt Kato meist das kleinformatige Quadrat. Bevor sie mit dem Malen beginnt, fertigt sie Skizzen an und hält ihre konzeptionellen Gedanken in Texten fest. Wer vor Chikako Katos Arbeiten steht, findet sich Auge in Auge mit einer ganz auf sich zurückgeworfenen Bilderwelt, in deren farbigen Gründen ein ungeheuer dynamisches Innenleben herrscht. Aus unzähligen winzigen Details besteht die Binnenstruktur dieser eindrucksvollen Miniaturen, deren Kleinteiligkeit sich zu neuen Formen verdichtet oder im Bildraum Bewegung erzeugt.
Allerkleinste Dreiecke und Gebilde, die an Zellformen oder winzige biologische Lebewesen erinnern, bevölkern Katos Bildkosmos und tummeln sich darin. „Sound of nature“ heißt eine Werkgruppe, deren Gebilde an Korallenriffs und Unterwasserwelten erinnert. Es ist ein trauriger Klang, der aus dem schwarzen Grund zu hören ist und gleichermaßen geheimnisvolle Tiefsee wie drohende Zerstörung assoziiert. „Aus der Natur kommen mir viele Inspirationen“, sagt die ehemalige Taucherin.
Aus ihrer Erzählung klingt das ganzheitliche kosmologische Naturverständnis japanischer philosophischer Tradition, das Mensch und Natur als Einheit versteht. Fraglos kann man Katos fantasievolle Bilder, deren Einzelformen sich im Spannungsfeld zwischen Vereinzelung und Verdichtung bewegen, zwischen Individualität und Schwarm, auch als gesellschaftliche Modelle lesen, die gleichermaßen auf die Bedeutung des Individuums wie auf die notwendige soziale Gemeinschaft verweisen.
Schließlich ist Kato eine Künstlerin, die wach die Gegenwart draußen wie die der eigenen Person reflektiert. Nicht zuletzt drückt sich das in ihrer Farbwahl aus, in der sich Grundstimmungen spiegeln. Derzeit setzt sie sich künstlerisch mit dem Tod auseinander. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg mit seiner Brutalität und seinem grausamen Töten, die so viel Leben sinnlos und zu früh auslöschten, hätten ihr einmal mehr gezeigt: „Das Leben ist ungerecht.“ Eva-Maria Reuther
Kontakt: chikako-kato.de