Trierer „Kulturspektrum“ Mit Kanonen auf Spatzen?
Trier · Wider Erwarten skandalfrei: Der Auftritt von Jens Fischer Rodrian im Kulturspektrum.
Schon erstaunlich, dass nach der Wallung vor dem Auftritt gerade einmal rund 60 Menschen den Weg ins Trierer „Kulturspektrum“ gefunden haben, um einem Künstler zu lauschen, den die Stadt am liebsten außerhalb ihrer Mauern gehalten hätte. Man solle nicht zu der Veranstaltung gehen, habe im TV gestanden, erzählt eine Besucherin vor Beginn des Konzerts einer anderen. Da habe sie gedacht: Jetzt gerade. Lügenpresse einmal aus anderer Perspektive. Ungelogen dagegen ist, dass natürlich weder zum Besuch des Abends noch dagegen aufgefordert wurde – eines Abends, der im Rahmen des von Joya Ghosh organisierten „Festivals für Frieden, Freiheit und Freude“ stattfand. Tatsache ist auch, dass der Veranstalterin die Fördergelder für diesen Auftritt – wie auch für den des Kabarettisten Uli Masuth – gestrichen wurde. Masuth ist und Fischer Rodrian war Mitglied der nach rechts weit offenen Partei „Die Basis“, die 2020 aus Protest gegen die Schutzmaßnahmen im Rahmen der Covid-Pandemie gegründet wurde, allerdings auch das antisemitische Gedankengut sowie die Holocaust-Leugnung einiger Parteifunktionäre als salonfähig betrachtet.
Frühere Auftritte mit Konstantin Wecker Eine Haltung, die man Jens Fischer Rodrian wohl kaum unterstellen kann. Der Komponist, Poet und Sänger, der unter anderem mit Konstantin Wecker gearbeitet hat, steht als „politischer“ Liedermacher durchaus in der Tradition von Dieter Süverkrüp, Wolf Biermann oder Hannes Wader. Mit dem Unterschied, dass die Genannten die Verhältnisse nicht von rechts, sondern von links kritisierten und außerdem das Glück hatten, dass, obwohl sie nicht unumstritten waren, nicht jedes ihrer Worte auf die Goldwoke, pardon, -waage gelegt wurde. Aber die Zeiten waren andere, und sie litten auch nicht unter einem Virus, das im Leben und bei der Arbeit – allerdings nicht nur – von Künstlern zu existenziellen Verwerfungen geführt und die Szene zutiefst gespalten hat.
Ist der Liedermacher Fischer nun ein Wolf im Schafspelz? Der Eindruck stellt sich allenfalls bei einigen Liedern und Gedichten ein, die er, leider nicht immer sehr verständlich vorträgt, was einer unzureichenden Akustik geschuldet ist. Dass es Corona gar nicht gibt – mit dieser Ansicht, die mitunter durch seine Texte schimmert, steht er zwar nicht allein, dennoch auf ziemlich verlorenem Posten. Bei seiner eher sanft geäußerten Kritik am Staat und seinen Lenkern kann er sich der – teils geradezu devoten – Zustimmung seines Publikums sicher sein, das, nebenbei bemerkt, den Eindruck einer verschworenen Gemeinschaft macht. Proteste aus dem Auditorium hat der Mann auf dem Podium nicht zu befürchten. Und so kommt es leider auch nicht zu der Diskussion, die Joya Ghosh zu Beginn des Abends angekündigt hatte und der Fischer sich im Gespräch mit seinen „Gegnern“ nur zu gern gestellt hätte, wie er mehrfach betonte. Doch da ein Disput mit weitgehend Gleichgesinnten nun mal keiner ist, fällt er an diesem Abend eben aus.
Einnahmen gehen an ein „israel-palästinensischen Friedensprojekt“ Was also bleibt von Rodrians Auftritt unter dem Motto „Alles nur geliehen“? Der Eindruck eines freundlich-verbindlichen Sängers jenseits der Lebensmitte, der sich tiefsinnige Gedanken ums Leben und Zusammenleben, die Vergänglichkeit der Liebe und die Unausweichlichkeit des Todes macht.
Der sich einerseits des Vorteils bewusst ist, in diesem Land „mit dem Arsch in der Butter zu sitzen“, und andererseits die freie Rede im selben Land bedroht sieht, was er ebenfalls in seinen Liedern thematisiert. Und sich dabei als „Ein-Mann-Band“ mit Gitarre (die er sich von seiner Tochter ausgeliehen habe, weil ihm seine eigene geklaut worden war, wie er erzählt), Keyboard, rudimentärem Schlagzeug und viel Synthesizer-Unterstützung den musikalischen Background schafft. Der an diesem Abend auf seine Gage verzichtet und die Einnahmen einem „israel-palästinensischen Friedensprojekt“ stiftet. „Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hatte Jens Spahn, seinerzeit Gesundheitsminister, zu Beginn der Corona-Epidemie orakelt. Jens Fischer Rodrian, so der Eindruck nach dem Konzert, ist auf jeden Fall bereit dazu.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Jens Friedrich Rodrian sei Mitglied der Partei "dieBasis". Mittlerweile ist der Künstler jedoch wieder ausgetreten.