Film ab - die Kinokolumne: "Findet Dorie"

Noch einmal Fische also. Ausgerechnet jene Tiere, die Animatoren so wenig Spielraum lassen.

Sie können nicht laufen und stolpern, nicht mit den Armen rudern, nichts greifen, kaum gestikulieren. Sie haben keine Haare, keine Kleider, auch die mimische Ausdrucksfähigkeit scheint eher beschränkt zu sein. Aber Pixar hat schon einmal gezeigt, dass man daraus trotzdem einen beeindruckenden CGI-Film machen kann: "Findet Nemo" (2003) führte mitten hinein in den Ozean und erzählte als Unterwasser-Road-Movie von einem Clownfisch, der nach seinem verschwundenen Sohn sucht und dabei über sich hinauswächst. "Findet Dorie" ist keine Fortsetzung im engeren Sinne. Marlin, der seit dem tragischen Tod seiner Fischdame überängstliche Vater von Clownfisch Nemo und "Held" des ersten Films, taucht nun zwar auch noch auf, wird jedoch eher zur Nebenfigur. Die Hauptrolle gehört stattdessen Dorie. Als Paletten-Doktorfisch mit massiver Störung des Kurzzeitgedächtnisses sorgte Dorie in "Findet Nemo" für die komischen Momente. Jetzt widmet man sich ihrer Hintergrundgeschichte und fragt sich, wie so ein Fisch eigentlich leben kann. Dieser Ansatzpunkt ist zunächst einmal überraschend, sind sogenannte Sidekicks (Partner der Heldenfigur) doch vor allem auf den schnellen Gag angelegt und keineswegs Figuren mit Tiefe. Andrew Stanton, der kreative Kopf hinter beiden Unterwasserfilmen, der in "WALL-E" (2008) auch schon einen Roboter feinfühlig beseelt hat, vollzieht genau diese Kehrtwendung. Und das Überraschende ist, wie gut dieses Konzept aufgeht. In den Mittelpunkt rückt nun Dories Suche nach ihren Eltern, die sie unter ungeklärten Umständen aus den Augen verloren hat. Begleitet von Marlin und Nemo macht Dorie sich auf den Weg nach vorn, um ihre Vergangenheit zu finden. Dorie ist eine schöne Figur, weil sie so spontan und unbedarft ist, auf liebenswerte Art chaotisch und naiv. Das Unperfekte macht sie so sympathisch. Allerdings, und da kommt die Anlage als Sidekick am deutlichsten zur Erscheinung, ist Dorie auch eine Quasselstrippe, die ihresgleichen sucht. Die Hektik, die sie damit als Nebenfigur verbreiten konnte, war eine angenehme Ablenkung. Als Titelheldin allerdings wird der Film dadurch oft sehr hektisch. Erneut sind es die emotionalen Szenen, durch die sich die Pixar-Produktion von vielen anderen aktuellen Computeranimationen abhebt. Da mag es vor allem zum Ende hin noch so albern werden. Zurückgeführt wird die Geschichte immer auf die Gefühle der Figuren, an die Zuschauer unterschiedlichsten Alters andocken können. Zugleich kann Stanton mit "Findet Dorie" trotz der technischen Perfektion nicht an den Ideenreichtum von "Alles steht Kopf" oder auch den Bildwitz von "WALL-E" anschließen. Rückwirkend freilich verändert sich der Blick auf "Findet Nemo": Wer sich diesen noch einmal ansieht, wird die vergessliche Dorie mit anderen Augen sehen. Aus dem Sidekick ist ein Charakter geworden. KNA Der Film läuft im Trierer Broadway, im Cinemaxx, im Moselkino Bernkastel-Kues und Vulkaneifel Kino in Daun.

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