Film ab - Die Kinokolumne: "Paradies: Liebe"

Vielen Kritikern gilt Regisseur Ulrich Seidl als Kulturpessimist - ein Fehlurteil. Der Österreicher ist Realist - mit einem ebenso unverstellten wie präzisen Blick auf die Welt.

Den hatte Seidl schon, bevor er 2001 mit "Hundstage" zum fiktionalen Erzählen wechselte. Dorthin hat er sich viel aus seiner Zeit als Dokumentarfilmer hinübergerettet. Die Filme des heute 60-Jährigen leben von einer Mischung aus Profi- und Laienschauspiel, absurden Tableaus und einer beinahe regungslosen Kamera, die alles enthüllt, nichts beschönigt. Das hat Seidl den Ruf als Extremfilmer eingebracht. In einer Welt, in der das Kino zwei Stunden Weltflucht bietet, erdet der Österreicher sein Publikum, legt den Finger in offene Wunden. Die Wunden im ersten Teil seiner Paradies-Trilogie sind der Umgang unserer Gesellschaft mit dem weiblichen Körper und mit Afrika. In "Paradies: Liebe" reist die alleinerziehende etwa 50-jährige Teresa als Sex-Touristin nach Kenia. So will sie ihrem Alltag, in dem sie sich vor allem alt und hässlich fühlt, entfliehen. Doch die Liebe, die sie sich blauäugig erhofft, beruht selbstredend stets auf Geld. Als Teresa dies erkennt, behandelt sie die Kenianer nur noch als Ware. In einer rohen Sequenz brechen sich Enttäuschung und Rassismus schließlich Bahn: Während unten in der Hotelbar eine Band "Hakuna Matata" spielt, treiben oben im Hotelzimmer vier Frauen ihre entwürdigenden Spielchen mit einem Stripper. "Kino sollte im besten Sinne beides sein: Tor zum Himmel und zur Hölle", hat Ulrich Seidl in einem Interview gesagt. Mit "Paradies: Liebe" ist ihm dies gelungen. Falk Straub Der Film läuft im Broadway- Kino in Trier. Diese und weitere Kolumnen lesen Sie auch unter volksfreund.de/kolumne

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