Film Ab - Die Kinokolumne: "Paulette"
Die Voraussetzung für Komik ist Inkongruenz, also eine mangelnde Übereinstimmung. Eine Person tut etwas, das der Zuschauer nicht von ihr erwartet, sie fällt aus der Rolle und sorgt dadurch für Gelächter.
Doch nicht jede Inkongruenz ist zwangsläufig komisch. Ein gutes Beispiel dafür ist Jérôme Enricos Kinofilm "Paulette". Wie in allen Komödien prallen auch darin zwei Welten aufein ander. Die mürrische Rentnerin Paulette (Bernadette Lafont) wohnt in einem tristen Pariser Vorort, der von Arbeitslosigkeit und kriminellen Jugendlichen beherrscht wird. Mit ihrer Tochter Agnès (Axelle Laffont) hat sich Paulette zerstritten, weil sie den farbigen Polizisten Osman (Jean-Baptiste Anoumon) geheiratet hat. Ihren Enkel Leo (Ismael Dramé) kann sie aufgrund seiner Hautfarbe nicht ausstehen. Da ihre kümmerliche Rente nicht zum Überleben reicht, steigt Paulette ins lokale Drogengeschäft ein. Als ihr die zündende Idee kommt, Haschisch in Keksen, Madeleines und Kuchen zu verarbeiten, steigt sie zur Topverkäuferin auf und bringt das Machtgefüge in der Szene um Möchtegerngangster Vito (Paco Boublard) gehörig durcheinander. Durchschnittsbürger, die plötzlich zu Drogendealern mutieren, sind weder im Kino noch im Fernsehen neu. Wie man die Thematik gleichermaßen dramatisch wie komisch behandeln kann, hat etwa die Serie "Breaking Bad" dank kluger Drehbücher und herausragender Schauspieler vorgeführt. "Paulette" mangelt es an beidem. Dramatisch möchte Enricos Film erst gar nicht sein. Jedes Mal, wenn die Komödie ernstere Töne anschlägt, wischt das Drehbuch diese leichtfertig mit einem Gag oder einer Wendung beiseite, die jeder Logik entbehrt. Das großartig besetze Schauspieler-Ensemble (unter anderem mit Pedro Almodovars Muse Carmen Maura) bleibt bis auf Hauptdarstellerin Lafont blass, chargiert bis an den Rand der Lächerlichkeit. Die Grundkonstellation der drogendealenden, rassistischen Oma klingt zwar komisch, die Witze, die in "Paulette" daraus resultieren, sind es leider in den seltensten Fällen. Falk Straub Der Film läuft ab heute im Broadway-Kino in Trier.