"Firmen profitieren von mehr Frauen in der Führung"

Trier · Weniger Geld, kaum Aufstiegschancen, oft nur Teilzeitjobs: Frauen sind in Deutschland in ihren Karrieren benachteiligt. Das zeigt der bekannte Karriereberater Martin Wehrle in seinem neuen Buch - und macht der Bundeskanzlerin einen Gesetzesvorschlag.

 Karriereberater und Buchautor Martin Wehrle. Foto: André Heeger

Karriereberater und Buchautor Martin Wehrle. Foto: André Heeger

Trier. Mehr als drei Jahre lang hat der Bestseller-Autor und bundesweit bekannte Karrierecoach Martin Wehrle wöchentlich im Volksfreund seine Kolumne "Meine Karriere" veröffentlicht. In dieser Woche ist Wehrles neues Buch herausgekommen. Seine These: Das Berufsleben einer Frau sei, verglichen mit jenem eines Mannes, ein Skandal. Was sich deshalb ändern müsse und warum er deswegen sogar an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben hat, sagt Wehrle im Gespräch mit TV-Redakteur Oliver Haustein-Teßmer.Was ärgert Sie?Martin Wehrle: Was wäre wohl los in unserem Land, wenn Männer für dieselbe Tätigkeit 22 Prozent weniger Gehalt als Frauen verdienen würden? Was wäre, wenn im Topmanagement deutscher Konzerne auf einen Mann 25 Frauen in Spitzenjobs kämen? Und 80 Prozent der Männer dazu verdammt wären, in Teilzeit zu arbeiten statt vollbeschäftigt? Das wäre doch ein Riesenskandal - würden die Männer rufen. Und bei Frauen nehmen wir das einfach so hin. Das ist mir an unserer Gesellschaft einfach unerklärlich.Wollen Frauen vielleicht einfach nicht so oft Karriere machen wie Männer?Wehrle: Natürlich möchte nicht jede Frau gleich an der Spitze eines Unternehmens stehen. Ich interpretiere das so: In der heutigen Arbeitswelt, in der es darum geht, möglichst lange zu arbeiten statt effektiv und möglichst Eindruck zu schinden statt Leistung zu liefern, wollen viele Frauen nicht mitspielen.Na gut, aber Familie und Karriere zu vereinbaren, das übernehmen überwiegend Frauen. Da sind sie als Chefinnen oft nicht gefragt.Wehrle: Ich sage, gerade das Management von Kindern und Familie erzieht Frauen zu den besseren Managern. Allerdings haben viele Firmenleitungen das noch nicht verstanden.Was vernachlässigen die Unternehmen?Wehrle: Sie legen zu viel Wert auf Anwesenheit statt auf Leistung. Die meisten Manager sind Männer, die meinen, dass sie mit 14 Stunden Arbeitszeit am Tag besonders viel schaffen. Aber das ist längst überholtes Denken.Was meinen denn die Frauen?Wehrle: Frauen pflegen Untersuchungen zufolge einen anderen Managementstil als Männer. Das liegt in der Evolution begründet. Frauen sind kommunikativer. Das war schon eine Eigenschaft der Höhlenbewohnerinnen, die sich bei der Kinderbetreuung und Nahrungszubereitung unterhalten konnten, während die Männer bei der Jagd stundenlang still im Busch hockten.Das sagt doch noch nichts aus über Leistungsfähigkeit.Wehrle: Doch. Sie haben in männerdominierten Organisationen egoistische Einzelgänger, keiner redet richtig mit den anderen, bis es zu spät ist. Sehen Sie nur die Finanzkrise, die mit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers begonnen hat oder den Manipulationsskandal beim ADAC. In der Spitze sind das reine Männerclubs. Meine These ist, mit Frauen im Management wäre das besser gelaufen für die Unternehmen.Können Männer von Frauen denn nichts lernen?Wehrle: Nur bedingt. Männer neigen dazu, Risiken zu unterschätzen. Und es ist erwiesen, dass Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil im Topmanagement mehr Rendite erwirtschaften. Unternehmen profitieren von mehr Frauen in der Führung.Sie wollen nun den Frauenanteil in Managements erhöhen, haben auch Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Brief geschrieben. Wie wollen Sie Ihr Ziel erreichen?Wehrle: Ich möchte, dass die Unternehmen in Deutschland die Gehälter und die Anteile von Frauen und Männern beim Führungspersonal transparent machen müssen. Dann können die Verbraucher erkennen und entscheiden, bei wem sie kaufen. Das Gute ist, 80 Prozent der Konsumentscheidungen treffen ja Frauen. Und wenn sie dort nicht mehr kaufen, wo es Gehaltsunterschiede und Missstände im Management gibt, haben die betreffenden Unternehmen ein Problem.Hat Merkel sich schon zurückgemeldet?Wehrle: Ich fände es gut, wenn sie reagiert. Ich habe nachgeprüft, dass es in der Verwaltung der Bundesregierung nicht viel anders zugeht als in der Wirtschaft. Von 715 Abteilungsleitern sind nur 150 weiblich. Obwohl ja sogar Merkel neuerdings für eine Frauenquote eintritt. Und überhaupt: Wie findet Merkel es denn, dass alle sie hinter ihrem Rücken angeblich nur Mutti rufen? Das ist respektlos. Undenkbar, dass ihr Vorgänger Gerhard Schröder Papi genannt worden wäre.Haben Sie Rückmeldungen von Volksfreund-Lesern im Buch verwendet?Wehrle: Da fließen auch Erfahrungen aus Ihrer Region ein. Beispielsweise hat sich eine Frau bei mir gemeldet, Ende 20. Sie hat sich bei einem großen Industriebetrieb vorgestellt. Im Bewerbungsgespräch ist sie gefragt worden: "Mal angenommen, Sie würden Ihr Traumhaus entwickeln, welche Räume hätte es denn?" Sie hatte zu Recht das Gefühl, dass das jetzt ein Schwangerschaftsverhör war. Die Frage zielte allein auf das Wort Kinderzimmer ab...... altes Denken: Die Frau wird sowieso bald ausfallen wegen der Kinder.Wehrle: Was mir am Herzen liegt, dass wir aus diesem althergebrachten Denken ausbrechen und mit falschen Heldenepen aufhören - wie dem, dass man immer erreichbar sein müsste. Es ist doch besser, eine Managerin arbeitet vier Stunden richtig, als dass ein Manager trotz seines 40-Stunden-Einsatzes falsch entscheidet.Klingt logisch. Da müsste sich aber noch viel ändern.Wehrle: Ja, es ginge sicher ohne ständige Erreichbarkeit, aber das ist ein Zeitphänomen. Da muss man wohl auf die nächsten Generationen setzen (lacht). Einer Studie zufolge erhöht ein männlicher Chef, der Vater einer Tochter geworden ist, im Folgejahr die Gehälter der Frauen durchschnittlich um 1,5 Prozent. Also braucht das Land wohl mehr Mädchen. ohtBuchinfo: Martin Wehrle, "Herr Müller, Sie sind doch nicht schwanger?!" Warum das Berufsleben einer Frau für jeden Mann ein Skandal wäre. Mosaik Verlag, 14,99 Euro, ISBN 978-3-442-39255-1Extra

Der TV verlost drei Exemplare des neuen Martin-Wehrle-Buchs. Und so geht\\'s: Einfach die Gewinn-Hotline 01379/375006 bis Sonntag, 24 Uhr, anrufen - Name, Anschrift und Lösungswort angeben und mit etwas Glück ein Buch gewinnen. (50 Cent/Anruf aus dem dt. Festnetz, abweichende Preise aus dem Mobilfunk) Online-Teilnahme unter <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/danke" class="more" text="www.volksfreund.de/danke"%>. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt und am 11. Oktober auf unserer Wir-für-Sie-Seite veröffentlicht. red

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