Friesisch herbes Energiebündel

Harald Schmidt nannte sie kürzlich "die kommende Frau im Ersten": Das Nordlicht Ina Müller ließ sich von ihrer aktuellen Erfolgswelle in die ausverkaufte Europahalle spülen, wo ihr Mix aus frivoler Comedy und atmosphärischer Musik frenetisch bejubelt wurde.

 Konnte als „Nordlicht“ in Trier punkten: Ina Müller. TV-Foto: Frank Göbel

Konnte als „Nordlicht“ in Trier punkten: Ina Müller. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. "Die Ballons hängen ja wohl wegen Karneval hier, oder?", wundert sich Ina Müller in der ausverkauften Europahalle, die noch mit Dekoration von der "ATK-Gala" schmückt. Dann lässt sich die 43-jährige Sängerin, Kabarettistin und Moderatorin erstmal über die fünfte Jahreszeit aufklären. Kenne sie ja alles nicht, sagt das blonde Energiebündel, das sich durch und durch als Nordlicht inszeniert: Ihre Talkshow, die kürzlich vom NDR ins Erste gewechselt ist, wird in einer Hafenkneipe aufgezeichnet, der Shantychor singt durchs Fenster rein. Beim ersten Lied, das sie in Trier singt, versteht man kaum ein Wort - aber natürlich klingt Plattdeutsch sehr schön: "Fast so lustig wie euer Dialekt", meint Ina Müller und kassiert den ersten Lacher eines Publikums, dass ihr vom Start weg verfallen ist. Dann wird die Sprache zwar deutlich hochdeutscher, ein bisschen platt bleibt es zeitweilig aber dennoch: Müllers Programm besteht nämlich zu etwa gleichen Teilen aus Musik und Stand-Up-Comedy, die durchweg den Frust und manchmal auch die Lust des Liebeslebens zum Thema haben. Besonders die Witze donnern dabei gerne mal im Tiefflug unter der Gürtellinie durch, was zwar kräftige, schnelle Lacher in der voll besetzten Halle bringt, sich aber fast ein wenig mit den durchaus stimmungsvollen Songs bricht, die nur selten Stimmungslieder sind.

Lasziv-rauchiges Timbre



Besonders, wenn die Bühne in blauem Licht badet und auch die Töne ein bisschen "blue" werden, imponiert Ina Müller mit ihrem lasziv-rauchigen Timbre, das aber dennoch nie brüchig ist, sondern sich immer wieder zur durchaus imposanten Röhre entwickelt. Die sechsköpfige Band knüpft dazu einen dezenten, etwas konfektionierten Klangteppich aus Pop, Blues, Reggae und Cha-Cha, auf dem gelegentliche Soli Tupfer setzen. Ein besonders gelungenes Slide-Gitarrensolo bekommt sogar "Szenenapplaus". Dann folgen einem Lied, das aufruft, sich über das Diktat der Schönheitsideale zu stellen und die inneren Werte zu feiern, gleich wieder die aus "Sex and the City" bekannten Schwärmereien auf "keilförmige Oberkörper" und "Hintern wie Golden Delicious - nicht so grün, aber so knackig". Vor allem die Selbstinszenierung als von Selbstzweifeln geplagte Frau mit Torschlusspanik nimmt man der eloquenten und attraktiven Ina Müller wirklich ab. Besonders dann, wenn sie direkt zum Publikum spricht, zeigt sich ihr großes Talent als schlagfertige Entertainerin: Dabei kommt ihr zwar zu Hilfe, dass ein Saarländer in Trier schon ein Selbstläufer ist.

Wenn sie aber zur Pause plötzlich einige Pärchen auf die Bühne zieht, die erst bereitwillig ein Tänzchen wagen, macht sie das mit einer Leichtigkeit, für die man eben eine Entertainerin von solchem Kaliber braucht.

Am Ende reißt sie das Publikum endgültig aus den Sitzen: "Bye-Bye, Arschgeweih!" singt sie über den Trend, den alten Trend untrendy zu finden. Und von der Decke hängen die Ballons nicht ohne Grund.

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