Für immer Hippie

Trier/Berlin · Lüül - wer? Er hat in legendären New Yorker Punkschuppen gespielt, aber auch im Kulturprogramm der Olympischen Spiele 1972. Der Berliner war Lebensgefährte von Andy Warhols Muse Nico, stand weltweit auf der Bühne, ist dennoch eher Eingeweihten bekannt. Am 14. November gastiert Lüül mit den 17 Hippies im Exhaus.

Trier/Berlin. Man kann auch nicht auf alle Fragen vorbereitet sein. "Hm, 17 Hippies oder so", antwortete Christopher Blenkinsop auf die Nachfrage, wie seine neue Kapelle denn nun eigentlich heiße. Eine Band, die ihr erstes Konzert in der Besetzung Kontrabass, Ukulele, Dudelsack gab. Das war Mitte der 90er.

Gitarrist und Banjospieler Lutz Graf-Ulbrich, von allen nur Lüül genannt, stieß etwas später zur Gruppe. Aber die Frage nach dem Bandnamen muss auch er sich öfter anhören. Denn an 17 Hippies stimmt so ziemlich nichts: nicht die Zahl, nicht die Selbstwahrnehmung. Und doch passt der Name, weil er weltweit funktioniert und angenehm spleenig ist. So wie die Berliner Band, die am 14. November im Exhaus auftritt. Der 17 gaben sie nachträglich eine Bedeutung: Sie legten einmal 17 Auftritte in 17 Berliner Läden hin - an einem Tag!
"Ich glaube, ich bin der einzige wahre Hippie in der Band", sagt Lüül im Telefonat mit dem TV. "Einige von uns können mit Hippies nun gar nichts anfangen, die hassen die Bezeichnung."

Aber das ist nur eine Worthülse, die jeder anders füllt. "Was uns alle verbindet, ist der Spirit: Freude, Freiheit und das offene und tolerante Miteinander-Umgehen." Wer bei solchen Sätzen vom Kopfkino welke Blumen im Zottelhaar serviert bekommt, der hat seinen Frieden vielleicht noch nicht gefunden.

Lüül schon. Nicht nur wegen der 17. "Ich hatte noch nie in einer Band gespielt, die überall besteht - egal, in welchem Land und ob bei einer Gala oder im Punkclub." Bei den 17 Hippies funktioniere das.

Die sind irgendwo zwischen Weltmusik, Pop, Chanson und Rock zu Hause - und längst ihr eigener kleiner Kosmos. Motto: Das Leben ist ein Fest. Auf der Bühne und davor. Das soll man sehen, hören, spüren. Hippie nennen muss man es nicht.

Der einzige Hippie? Das liegt vielleicht an Lüüls Historie. Als Gitarrist von Agitation Free und Ash Ra Tempel hat er in den Siebzigern Musikgeschichte geschrieben: Es war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass aus Deutschland neue Musik kam, die auch international beachtet wurde - sogar stärker als im eigenen Land: Krautrock. "Den Begriff haben wir alle gehasst", sagt der 61-Jährige. "Aber inzwischen ist er eine Art Gütesiegel." Agitation Free hat heute noch treue Fans. "Wir gehen Ende des Jahres auch noch mal ins Studio", kündigt er an.Als Wachsfigur in Tokio


Die Wertschätzung konnte man bis vor kurzem noch in Tokio sehen: Da stand Lüül als Krautrock-Ikone in Lebensgröße im Wachsfigurenmuseum, neben Frank Zappa und Ritchie Blackmore. Das Museum ist aber inzwischen geschlossen.
Wenn man sich über 40 Jahre später das erste Agitation-Free-Album anhört, "Malesch", riecht man fast das Gras aus den Boxen. Aber auch die Wucht neuer Eindrücke, mitgebracht aus dem Nahen Osten. Prog-Rock, experimentell, mit Anflügen von Weltmusik, Kiffers Kurztrip. Drei Wochen lang waren die 19- und 20-Jährigen auf Tour durch Ägypten, den Libanon und Zypern, unterstützt vom Goethe-Institut. "Das war Wahnsinn. Wir waren die erste Band, die dort Rockmusik präsentiert hat. Das war ein Clash der Kulturen und für uns extrem beeindruckend", erinnert sich Lüül, der aber auch danach einen Anekdoten-Fundus sammeln konnte, der für mehrere Leben reichen würde. Da waren die Wochen bei den Olympischen Spielen 1972 in München, Agitation Free spielte im Kulturprogramm. Später die viereinhalb Jahre, in denen er mit Nico liiert war, Sängerin, Model und Andy-Warhol-Muse. Er begleitete sie auch auf der Bühne - in legendären Punkclubs wie dem New Yorker CBGB\'s mit John Cale oder auch (fast) in der Carnegie Hall. Fast? "Nico hatte einen Kater und keine Lust. Ich habe ihr noch gesagt: In der Carnegie Hall spielt man nicht jeden Tag, aber sie schlief lieber ihren Rausch aus."

Zu diesem Zeitpunkt sei es langsam kritisch geworden. "Wir alle haben Drogen genommen. Erst Haschisch, später LSD, noch später kam bei vielen Heroin dazu - auch bei mir", sagt Lüül, der den Entzug schaffte: "Bei mir war es nicht so dramatisch. Ich habe nicht gedrückt, sondern nur ge-snieft. Man fällt in ein Loch. Es geht schnell bergab", erinnert er sich: "Ich war aber eher süchtig nach Nico als nach dem Heroin."

Das ist lange her, nicht ganz so lang wie sein kleinerer NDW-Hit "Morgens in der U-Bahn" (1981), einer der ersten deutschsprachigen Songs mit einer Art Sprechgesang. Das würde ihn auch heute musikalisch reizen, wenn er noch mal 15 Jahre alt wäre: "Dann würde ich Hip-Hop oder Trance machen. Auf jeden Fall eher als Songwriting à la Bob Dylan."
Karten für 17 Hippies (14. November, Exhaus, 20 Uhr): TV-Service-Center Trier, Hotline 0651/7199-996 und
www.volksfreund.de/tickets

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