Ganz nah bei Sinatra

Trier · Helmut Eisel an der Klarinette und das Sebastian-Voltz-Trio haben am Freitagabend dem Publikum in der Trierer Tuchfabrik einen denkwürdigen Abend bereitet. Ihre Interpretationen von Frank Sinatras Liedern gingen unter die Haut.

 Sensibel: Klezmer-Star Helmut Eisel lässt Frank Sinatras Lieder durch den Trichter seiner Klarinette erklingen. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Sensibel: Klezmer-Star Helmut Eisel lässt Frank Sinatras Lieder durch den Trichter seiner Klarinette erklingen. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Trier. Die jiddische Tanz- und Feiermusik wird seit den 1960er Jahren gemeinhin Klezmer genannt, das Wort an sich bedeutet nur: "Musiker". Frank Sinatra, geboren vor 100 Jahren und aufgewachsen zu Zeiten der Prohibition in New Jersey, hatte eine jüdische Ersatz-Oma (soviel ist bekannt) und war auch ein Klezmer. Klingt konstruiert, ist es aber nicht.
Den Beweis tritt der begnadete Klarinettist Helmut Eisel am Freitagabend in der Trierer Tuchfabrik an. Eisel ist - spätestens seit er als Nachfolger von Klezmer-Ikone Giora Feidmann zum Leiter des Jerusalemer Festivals berufen wurde - einer der renommiertesten Vertreter der Musikrichtung. In seinem neuen Programm "Talking Sinatra" lässt er die unsterbliche Musik von "The Voice" im jazzigen Klezmer-Stil wieder auferstehen und beeindruckt damit tief.
Im ausverkauften kleinen Saal der Tufa hat er Sebastian Voltz am Rhodes-Keyboard von 1979, Mario Bartone am Bass und Dirk Leibenguth an den Drums dabei, ein Trio das virtuos und dabei sehr humorvoll agiert. Das begeisterte Publikum hört Sinatras Stimme durch den Trichter von Eisels Klarinette. Neben den Evergreens gibt es auch einige Eigenkompositionen von Voltz oder Eisel zu hören, oft mit den stilprägenden Trillern und dem Schluchzen der Klarinette. Die Arrangements stammen größtenteils von den Künstlern selbst, sie begnügen sich nicht mit der bloßen Wiedergabe der Titel, sondern entwickeln ein improvisatorisch anmutendes Eigenleben.
Sehr sensibel und feinfühlig adaptieren sie die Musik, das geht unter die Haut: "I\'ve got you under my skin" sendet erste Signale an die Nackenhärchen, von da aus gehen "New York, New York" und "The Lady is a Tramp" direkt in den Bauch. Die Musik erzählt Geschichte, auch ohne die Augen zu schließen wähnt man sich in der Welt Frank Sinatras, dazu trägt die sympathische persönliche Attitüde der Akteure entscheidend bei.
"One for my Baby, one more for the Road", die Bar-Hymne an den Gast, der noch einen letzten Drink möchte, beschreibt "die Zeit, als man nicht mehr nach Hause wollte", wie Eisel in einer seiner spannenden Zwischenmoderationen sagt. Ganz nah bei Sinatra beim letzten Whiskey an der Theke. Oder die Geschichte hinter "My Way" - von der Entstehung in der französischen Chanson-Szene, über die Adaption durch Paul Anka, bis hin zur 1000-fachen Aufführung durch Sinatra: spannend, lustig, ergreifend. Ein großer Konzertabend, der viel mehr als knapp 80 Zuschauer verdient gehabt hätte. "Ol\' Blue Eyes" hätte diese Hommage zu seinem 100. Geburtstag sicher sehr gefallen! DT

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