Gefährliches Hex, Hex!

TRIER. Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg sind schuld, dass Jugendliche keine Lust mehr auf Politik haben. Die Hörspielhelden machten Kinder zu politikverdrossenen Antidemokraten – behauptet ein Politikwissenschaftler.

Eltern, verbannt sofort die Kassetten von Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg! Schaltet das Fernsehn aus, wenn der Elefant und die Nachwuchs-Hexe über den Bildschirm fliegen. Nicht nur dass das ewige Töröö des sprechenden Elefanten und das Hex, Hex von der auf einem Besen namens Kartoffelbrei fliegenden Bibi nervt auch die geduldigsten Eltern irgendwann mal. Nein, die Hörspiel-Helden sind auch gefährlich. Das behauptet jedenfalls der Passauer Politikwissenschaftler Gerd Strohmeier ("Ich habe in meiner Kindheit selbst viel Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen gehört".) Dafür hat sich der smarte 30-Jährige mit großer Leidensfähigkeit durch unzählige Benjamin- und Bibi-Kassetten gequält - alles im Dienst der Wissenschaft und hoch seriös versteht sich. Inklusive der nicht fehlen dürfenden Fußnoten, die bei Strohmeier allerdings größtenteils Querverweise auf irgendwelche Bibi- und Benjamin-Kassetten sind. Allein von Benjamin Blümchen sind seit 1997 über 60 Millionen Kassetten mit mehr als 100 Folgen verkauft worden. Bibi Blocksberg schaffte es seit 1980 auf 83 Folgen und 35 Million verkaufter Tonträger. Immerhin fand die von einigen Kollegen belächelte Forschungsarbeit des Passauer Wissenschaftlers Niederschlag in der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Zeitschrift "Politik und Zeitgeschehen". In dem Aufsatz finden sich dann so bahnbrechende Erkenntnisse wie, dass der in beiden Hörspielen auftretende namenlose Bürgermeister von Neustadt korrupt, faul, machtgierig und nur am eigenen Wohl orientiert sei: "Es macht ihm zum Beispiel nichts aus, für seine teure Dienstausrüstung ,die armen Steuerzahler' zu schröpfen, und er ist stets auf der Suche nach neuen Einnahmequellen für Neustadt - um das Rathaus zu renovieren, sein Büro zu vergrößern, einen neuen Dienstwagen oder sogar eine Perlenkette für seine Frau zu kaufen." Dieses Politikerbild, so der Wissenschaftler, sei "äußerst bedenklich" und fördere keinesfalls das Politikverständnis der kindlichen Zuhörer, ja behindere sogar ihre Entwicklung zum mündigen Bürger. Das allein kann sicherlich nicht die unergründliche Faszination der braven Trickspielhelden auf Drei- bis Achtjährige ausüben. Schwer vorstellbar auch, dass Bibi und Benjamin nur von politisch links orientierten Eltern ins CD-Fach gelegt werden. Denn, auch das kritisiert Strohmeier, Benjamin Blümchen sei Vertreter einer fragwürdigen Umweltpolitik: Er kämpfe für Windräder, flächendeckende Tempo-30-Zonen, Freizeitparks statt Straßen ("Wer Straßen baut, wird vollgehaut").Bibis Vater: ein "Roter"

"Die ,richtigen' politischen Positionen und Verhaltensweisen sind ökologisch, postmaterialistisch, basisdemokratisch, kritisch, zivilcouragiert, pazifistisch, sozial, antikapitalistisch, egalitär, tendenziell anarchistisch oder antistaatlich, antihierarchisch, antiautoritär und antikonservativ, mit anderen Worten: ,links' der politischen Mitte", macht Strohmeier keinen Hehl aus seiner (davon abweichenden) politischen Einstellung. Bibis Vater, der den Kampf seiner Tochter gegen den Bürgermeister gutheißt, gilt in seinen Augen sogar gleich als "Roter". Das Bild, das die Hörspiele zeichneten, sei zu einseitig, zu schwarz-weiß. Auch dass die Medien - verkörpert von der schwatzhaften Karla Kolumna - "grundsätzlich gut und objektiv" seien und "die Gerechtigkeit bzw. das ,Gemeinwohl' fördern sowie eine absolute Wirkung entfalten", hält er ebenfalls für "äußerst bedenklich". Unter diesen Umständen stellt Strohmeier den erfundenen Hörspielhelden ein vernichtendes Urteil aus: "Sie verdienen aus politikwissenschaftlicher Sicht keineswegs das Prädikat wertvoll." Auch vom Bildschirm müssten sie verbannt werden, fordert Strohmeier, der droht, bei Bibi Blocksberg "am Ball" zu bleiben.

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