Gefühl und Leidenschaft

TRIER. Versöhnung von Rhythmus und Gefühl: Ulf Schneider und Stephan Imorde glänzten im zweiten Villa Musica Konzert in Trier.

Draußen hatte der Advent sein erstes Licht angesteckt, drinnen im intimen Barocksaal des Kurfürstlichen Palais leuchtete Ulf Schneiders strahlende Geige. Am Klavier saß als Partner Stephan Imorde. Wie bei anderen Villa Musica Konzerten machte gleich vorab die Intelligenz der Musikfolge Freude. Drei romantische Sonaten standen auf dem Programm, bei denen sich die zweite als musikalische Mittlerin zwischen den beiden anderen anbot. Mittel- und Höhepunkt des Konzerts war die legendäre F.A.E.- Sonate. "Frei aber einsam": Das Lebensmotto ihres "verehrten und geliebten Freundes" Joseph Joachim hatten die Komponisten Albert Dietrich, Johannes Brahms und Robert Schumann seinerzeit zum Anlass genommen, eine gemeinsame Sonate zu schreiben. Der berühmte Geiger wurde von den drei Musikern am Rhein erwartet. Mit dem Gemeinschaftswerk sollte der Freund willkommen geheißen werden.Unvereinbarkeit als Herausforderung

Dass angesichts der drei unterschiedlichen Komponisten-Persönlichkeiten ein ausgesprochen zwiespältiges, in seinen Teilen gegensätzliches Stück entstand, liegt auf der Hand. Zeitweise war es deshalb sogar üblich, nur einzelne Sätze daraus zu spielen. Dabei liegt gerade in den Kontrasten der Sonate, in der scheinbaren Unvereinbarkeit ihrer Teile auch ihre musikalische Herausforderung. Ganz abgesehen davon ist die F.A.E-Sonate schon technisch Herausforderung genug. Ulf Schneider und Stephan Imorde schafften in Trier den musikalischen Balanceakt. Glänzend gelang ihnen die Versöhnung der Temperamente, die spannungsvolle Verbindung von Rhythmus und Empfindsamkeit, von ausladendem Gefühl und wilder Leidenschaft.Schattenbeschwörung der musikalischen Überväter

Einen packenden Dialog führten die beiden jungen Musiker, voll Klangvielfalt und musikalischer Beseeltheit. Ulf Schneiders Geige ist kraftvoll. Und doch bleibt das Instrument des jungen Musikprofessors aus Hannover auch im Augenblick höchster Leidenschaft kontrolliert und analytisch. Das macht nicht zuletzt ihr schlanker, immer leicht metallener Ton. Stephan Imorde ist ein selbstbewusster Dialogpartner, der nachdenklich fragt, wo nötig aber auch kräftig auftrumpft, bisweilen sogar ein wenig zu laut. Angefangen hatte der Nachmittag mit dem wenig bekannten Friedrich Gernsheim und seiner Violinsonate in c-Moll. Sogleich erfüllte jene Ahnung von spannungsreicher Schönheit den Raum, die am Ende des Konzerts Gewissheit war. Die Musiker schlossen mit Ferruccio Busonis Sonate Nr. 2 e-Moll, op. 36a. Das Stück des Italieners hat etwas von der dunklen Würde mancher historistischer Zimmer. Noch einmal bewies Schneider seine geigerische Virtuosität. Zum Ende fanden sich Geige und Klavier in der Schattenbeschwörung von Busonis musikalischen Übervätern Bach und Liszt. Die Schar der Musikfreunde, die an diesem Spätnachmittag auf Adventskaffee und Kuchen verzichtet hatten, ging begeistert nach Hause.

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