Gehlweiler - der Mittelpunkt der "Heimat"-Welt
Gehlweiler · Nach seiner "Heimat"-Trilogie beginnt der Morbacher Regisseur Edgar Reitz mit den Dreharbeiten zu seinem Kinofilm "Die andere Heimat". Ein Teil des Ortes Gehlweiler (Rhein-Hunsrück-Kreis) wurde dafür komplett umgestaltet.
Gehlweiler. Die Ortsmitte des 250 Einwohner zählenden Dorfes Gehlweiler bei Kirchberg im Hunsrück ist derzeit nicht mehr zu erkennen. Die Dorfstraße ist mit einer Schicht aus Lehm und Sand bedeckt. Die Häuser der Anwohner sind verkleidet mit Kulissen aus Holz und Styropor. Zudem haben Handwerker zahlreiche weitere Gebäude in der Ortsmitte aufgebaut - alle in der ärmlichen Optik des 19. Jahrhunderts.
In der kommenden Woche beginnen in dem Dorf die Dreharbeiten zu "Die andere Heimat", dem neuen Film des Morbacher Regisseurs Edgar Reitz. In dem fiktiven Dorf Schabbach im verarmten Hunsrück trennen sich um 1850 die Wege zweier Brüder aus der Schmiedefamilie Simon, die bereits im ersten "Heimat"-Film im Mittelpunkt des Geschehens stand. Während der eine zu Hause bleibt, sucht der andere sein Glück in Brasilien. Kein Einzelfall: Im 19. Jahrhundert sind 5,5 Millionen Deutsche ausgewandert, sagt Reitz.Aus Garage wird Kirche
"Bis zum ersten Drehtag haben wir keine Ahnung, was kommt. Erst dann zeigt der Film sein Gesicht", sagt Edgar Reitz. Damit das möglichst originalgetreu aussieht, ist schon viel passiert: Um das Dorf in einen Zustand zu versetzen, wie er vor 160 Jahren im Hunsrück normal war, haben Bauarbeiter bereits im Januar auf einer Fläche von 10 000 Quadratmetern mit dem Bau der Kulissen begonnen. 2500 Quadratmeter Fassade und 2500 Quadratmeter Dachfläche - mit Stroh oder Holzschindeln bedeckt - sind so neu entstanden.
Hinzu kommen 1000 Quadratmeter Verkleidung für die Fassaden der Häuser. Manche Scheune ist innen ebenfalls um 180 Jahre gealtert. Eine Garage erscheint durch passende Aufbauten als Dorfkirche. Im vergangenen Jahr wurde bereits Getreide ausgesät, das 1850 im Hunsrück von den Bauern angepflanzt wurde. Junge Kühe mussten lernen, einen Wagen zu ziehen.
Die Schauspieler für die Hauptrollen leben bereits seit einigen Monaten in einheimischen Familien, um Hunsrücker Platt zu lernen. Dabei handelt es sich um unbekannte Schauspieler, die frisch von der Schauspielschule kommen, sagt Reitz. Bei der Frage nach bekannten Akteuren zögert Reitz, lediglich den Namen Marita Breuer, die in Heimat 1 bereits die Rolle der Maria Simon spielte, lässt er sich entlocken.
Wie bereits bei der Heimat-Trilogie sind auch dieses Mal zahlreiche Laienschauspieler dabei. Etwa 1000 Personen aus dem Hunsrück haben sich vorgestellt, 600 davon werden so eingekleidet, wie es Mitte des 19. Jahrhunderts üblich war. Trotzdem stellte die Suche nach Akteuren das Filmteam vor Herausforderungen. Denn damals sah man den Menschen an, dass sie Hunger litten. Das sei heute weniger der Fall, sagt Reitz. Zudem sei Armut im Film wesentlich komplizierter darzustellen als Reichtum, sagt er. "Von den Reichen sind Vermögen und Häuser übrig geblieben, von den Armen nur die Erinnerung", sagt Reitz. Zum Glück habe es Aufzeichnungen aus der Pfalz gegeben, wo die Verhältnisse seinerzeit denen im Hunsrück vergleichbar waren, sagt Gert Heidenreich, der gemeinsam mit Reitz das Drehbuch verfasst hat. Vieles, was man im Roman einfach schreibt, stelle einen Regisseur vor Probleme. Wie sieht eine arme Küche aus? Wie der Topf, wie die Schürze der Köchin? Oder trug sie gar keine Schürze?Im Film ist Armut teuer
Zudem ist im Film oft nicht das teuer, was reich aussieht, sondern gerade das, was arm aussieht, koste viel Geld, sagt Reitz. Dementsprechend hoch sind die Produktionskosten von fast acht Millionen Euro für etwa 70 Drehtage. Die Dreharbeiten sollen im August beendet sein "Die andere Heimat" wird im Gegensatz zur Heimattrilogie ein drei Stunden langer Kinofilm werden.Extra
In Gehlweiler hat sich bereits während des Kulissenaufbaus ein "Set-Tourismus" entwickelt, sagt Filmregisseur Edgar Reitz. "Es sind schon Tausende da gewesen, und wir fürchten, dass wir nicht mehr drehen können", sagt er. Zum einen freut er sich über das rege Interesse an den Filmarbeiten. "Jedoch müssen wir sicher sein, dass niemand da steht, wenn wir mit der Kamera schwenken", sagt er. Um dem entgegenzuwirken, will Kurt Aßmann, Bürgermeister von Gehlweiler, auf der Internetseite des Orts die Tage bekanntgeben, an denen keine Dreharbeiten stattfinden und an denen Schaulustige die Dreharbeiten somit nicht behindern. cst gehlweiler.de
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