Geldgier zerfrisst

MAYEN.Gelb ist die Farbe des Neides und des Geizes. Bei den diesjährigen Burgfestpielen in Mayen wurde sie den Schauspielern als Leitfarbe für Molières Komödie "Der Geizige" auf den Leib geschneidert.

Theaterleiter Johann Wolfgang von Goethe bekam allerhand Schwierigkeiten, als er "Der Geizige" 1805 auf die Bühne seines Weimarer Hoftheaters brachte. Adlige wie bürgerliche Notablen waren von der Pariser Uraufführung bis fast ins 19. Jahrhundert hinein wenig begeistert davon, dass ihr allfälliges Streben nach Reichtümern von diesem Herrn Molière spitzzüngig dem Spott ausgeliefert wurde. Heute scheint die Story vom unausstehlichen Geizkragen, der seiner Geldgier selbst das Glück von Sohn und Tochter opfert, ein Blick ins Gestern zu sein. Doch der Schein trügt - was die Mayener Inszenierung von Matthias Brenner zwar nicht audrücklich thematisiert, immerhin durch gelegentliche Aktualitätsszenen andeutet. Élise, die Tochter des Hauses, liebt Valère, einen mittellosen Dienstmann. Dagmar Rösch und Rolf Bidinger rocken beim ersten Stelldichein-Auftritt kräftig ab: Junge Leute von heute botschaftet die Regie, stellt aber der kurzberockten Sexy-Maid einen Galan mit Versailles-Perücke zur Seite. Seltsam auch, wenn etwa Cléante, Sohn des Hauses, in Rüschenhemd und nämlicher Historien-Haartracht seiner geliebten Mariane begegnet: René Schnoz mimt launig ein keckes Bürschlein, das man vom Auftreten her vielleicht ins Volkstheater des 19. Jahrhunderts stecken würde, derweil Andrea Walter im Blümchenschwinger eher den 1950ern zuzuordnen ist. Widersprüchliches so arg, dass es nur Absicht sein kann. Es wird damit die Gier nach dem Mammon und der damit verbundene Geiz als ein den Wechsel der Zeitalter überdauerndes Phänomen dargestellt. Die Titelfigur des geizigen Witwers Harpagon hat Kostümbildnerin Kiki de Kock in einen gelbsamtenen Gehrock gesteckt: Ein Bürger ist das, ein Großbürger des vorvergangenen Jahrhunderts, ein Raffzahn - der die eigene Bude verkommen lässt, die Seinen mit Sparwut drangsaliert. Geld regiert die Welt und die Liebe

Geld regiert die Welt, ergo kommandiert es in Harpagons Denken auch die "Liebe". Seine Kinder will er in "gute Partien" zwingen, selbst steht ihm der Sinn nach der jungen Mariane, die ihrerseits von Herzen mit dem Sohn verbandelt ist. Das gibt dann allerlei vergnügliche Verwicklungen. Im Mayener Festspielensemble ist Ulrich von Bock für die Titelrolle eine Idealbesetzung. Ins Geld allein vernarrt, spannt er mit Verve den Bogen vom giftigen Haustyrannen über den an Diebstahlswahn Leidenden bis zum schließlich bestohlenen Hysteriker. Regisseur Brenner beweist hier einmal mehr sein Gespür für Kleinigkeiten. Getreu der Anlage des Stückes als Verbindung aus Charakterkomödie, commedia dell'arte und Farce bindet er Pantomime und Musik, poetische Momente und schier kalauernde Sequenzen ein. Weitere Vorstellungen: 17., 19., 20., 22., 25., 30. Juli und 2., 5., 6., 12. und 15. August. Karten: 02651/48043

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