Gelungene Ein-Mann-Show

Trier · Ein Türsteher im Museum als Bewacher eines Jesusbilds aus Brustwarzen: Der Frage "Was ist Kunst?" ist das Theater Trier in der Premiere des Solostücks "Nipple Jesus" am Freitag mit Witz und Charme nachgegangen.

Trier. Wer einen ruhigen Abend im Theatersessel erwartet hat, der wurde bei der Aufführung von "Nipple Jesus" enttäuscht. Denn zum Zurücklehnen blieb in der Europäischen Kunstakademie nur wenig Zeit - auch, weil bei dem Ein-Mann-Stück gleich von Beginn an die Zuschauer gefragt waren. Wie bei einer Vernissage im Museum füllen sie die Ausstellungshalle, unterhalten sich. Und avancieren so zu einem Teil des Monologs, der auf einer Erzählung des britischen Popautors Nick Hornby basiert und die Geschichte des Museumswärters Nick schildert. Regisseurin Britta Benedetti inszeniert Hornbys Satire auf den Kunstbetrieb unkonventionell wie eine Museumsführung. Mit den Zuschauern als Statisten.
Die werden von Nick (Tim Olrik Stöneberg) in rasantem Tempo von einem Raum in den nächsten gelotst, während er humorvoll erläutert, was alles Kunst sein kann. Zum Beispiel ein einfacher Kicker oder ein Spiegel mit der Aufschrift "Du bist Kunst". Obwohl der ehemalige Türsteher Nick, der passend stereotyp mit blondiertem Irokesenhaarschnitt und blauem Meisterproper-T-Shirt auftritt, zuvor selbst kaum mit Kunst in Berührung gekommen ist.
Bis das Publikum schließlich den separaten Raum mit dem Kunstwerk erreicht, das Nick bewachen soll. Dort ist es versteckt, weil die Menschen an dem provokanten Bild Anstoß nehmen könnten: Das Werk zeigt ein Jesusbild, das aus Brustwarzen zusammengesetzt ist. Die auch noch aus Pornoheften stammen.
Herantasten an die Kunst


In diesem Raum spielt sich der zentrale Part des Stücks ab: Nicks Herantasten an die Welt der Kunst. Dabei durchlebt er die unterschiedlichsten Stimmungen von anfänglicher Euphorie über extreme Ablehnung, als er erkennt, dass das Bild aus Brustwarzen gemacht ist, bis hin zu Faszination und inbrünstiger Verteidigung. Diese Emotionen bringt Stöneberg in schnellem Wechsel dem Publikum näher, wobei meist der Witz im Vordergrund steht. Manchmal überzeichnet Stöneberg aber zu stark und lässt Nicks ernste Seite etwas untergehen. Etwa wenn er seine Liebe zum Bild des Nipple Jesus in zarte Streicheleinheiten münden lässt, wenn er als Priester singt statt zu sprechen, oder wenn er zum dritten Mal zur Gitarre greift, um seiner Stimmung Ausdruck zu verleihen.
Dass Stöneberg allein auf der Bühne unterwegs ist, fällt kaum auf. Mit seiner Präsenz füllt er die Bühne, die die Kunstakademie ihm bietet. Und das nicht nur, weil er "1,88 Meter groß, 90 Kilo schwer und handfest ist" (Nick über Nick) und immer wieder in andere Rollen wie die seiner Freundin Rosa oder der eines religiösen Spinners schlüpft. Zudem bezieht er das ganze Stück hindurch die Zuschauer mit ein, lässt sie kickern oder einen Angreifer mimen.
Der Monolog lebt von seiner unkonventionellen Art, der Interaktivität und dem Witz. Das Publikum in der vollbesetzten Kunstakademie dankt es mit Lachsalven und langem, herzlichem Applaus.

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