Bitburg Geschichten aus dem Leben von A bis Z

Bitburg · Zum vierten Mal war Elke Heidenreich beim Eifel-Literatur-Festival zu Gast. Zu ihrer Lesung in der ausverkauften Bitburger Stadthalle kam sie nicht allein.

 Elke Heidenreich las vor ausverkauften Haus in der Stadthalle in Bitburg.

Elke Heidenreich las vor ausverkauften Haus in der Stadthalle in Bitburg.

Foto: TV/Stefanie Glandien

Wenn Elke Heidenreich aus ihren Büchern vorliest, dann wird gerne viel und laut gelacht – und manchmal auch nachdenklich geschwiegen. Deutschlands bekannteste Buchempfehlerin (Lesen!), Autorin, Kolumnistin und – unvergessen – Metzgersgattin Else Stratmann ist zum vierten Mal beim Eifel-Literatur-Festival dabei. 807 Menschen haben für die Lesung eine Karte ergattert, 100 stünden noch auf der Warteliste, wie Josef Zierden, Festivalorganisator, nicht ohne Stolz verkündet.

Die 75-Jährige ist nicht allein nach Bitburg gekommen. Begleitet wird sie vom Komponisten und Pianisten Marc-Aurel Floros, der die Lesung mit spontanen musikalischen Intermezzi untermalt. Eine gelungene Ergänzung, wie der Verlauf des Abends beweist. Die beiden sind ein eingespieltes Team, verstehen sich ohne Worte.

Für ihr Buch „Alles kein Zufall“ hat die Autorin („Ich gehöre zur Generation Fotokiste. Heute speichern die Menschen ja alles auf ihrem Handy.“) Geschichten aus dem Leben gesammelt. „Manche haben mir Freunde erzählt, viele habe ich selbst erlebt und einige auch erfunden“, sagt sie. So ist ein Sammelsurium an kurzen Schmonzetten, aber auch nachdenklich stimmender Erzählungen entstanden, 190 an der Zahl, fein säuberlich sortiert von A bis Z, zwei Sätze bis zu zwei Seiten lang.

Eine Auswahl davon präsentiert sie den Zuhörern. Darunter die vom neuen Briefträger, dessen Namen sie sich nicht merken kann. Was kein Wunder ist, denn er heißt Wojciechowski. Also notiert sie seinen Namen und pinnt ihn ans schwarze Brett. Zu Weihnachten schreibt sie ihm eine Karte. Der Briefträger bedankt sich: „Dass Sie sich meinen Namen gemerkt haben, das hat in all den Jahren noch keiner.“ „Ich bitte Sie“, sagt Heidenreich, „ich arbeite ja mit Wörtern und Büchern, da ist das doch ein Kinderspiel.“ Sie schließt die Tür, denkt: „Wie hieß er?“ und guckt am schwarzen Brett.

Und so geht es munter weiter am Abend. Man erfährt viel über die Schriftstellerin – auch sehr Persönliches. Manchmal schleichen sich allerdings Zweifel ein – ist die Geschichte jetzt echt, oder vielleicht doch erfunden? „Ich war ein Leben lang leicht entflammbar“, erzählt sie und liest die Geschichte über drei Brüder vor. In jeden habe sie sich verliebt. „Heute nähme ich jeden von ihnen und wäre – vielleicht – treu“, sagt sie und schmunzelt. Das inspiriert ihren Lebensgefährten dazu, den Hochzeitsmarsch zu spielen. „Das ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben“, kritisiert Elke Heidenreich gespielt empört.

Gekonnt schlüpft sie in die verschiedensten Rollen. Viel gelacht wird über die Geschichte, als ihre Mutter mit 80 einen Englischkurs an der Volkshochschule belegt und mit der Aussprache hadert.

Es sind aber traurige Geschichten dabei, wie die über den St.-Martin-Umzug, in den Elke Heidenreich durch Zufall hineingerät. „Die Laternen, der Gesang, die Kindheit stieg hoch, meine einsame Kindheit ohne richtige Familie, nie hatte ich eine Laterne, nie war ich bei Umzügen dabei, meine Mutter mochte all so etwas nicht.“

Doch das Fröhliche überwiegt an dem Abend. Gemeinsam mit der Autorin schmettert das Publikum das Lied: „Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald“. In der dazu passenden Geschichte beschwert sich die Mutter bei der Kindergärtnerin, dass sie den Kindern falsches Deutsch beibringe. „Hörnse mal“, wehrt diese resolut ab, „ich lern die Kinder seit dreißig Jahre Lieder, da müssen Sie nicht kommen und mir sagen, was richtig ist und falsch.“

Das Publikum bedankt sich bei dem Duo Elke Heidenreich, Marc-Aurel Floros mit lang anhaltendem Applaus. Es gibt eine Zugabe und lange Schlangen am Signiertisch. „Toll, mit welcher Leichtigkeit und Natürlichkeit Elke Heidenreich ihre Geschichten rüberbringt“, sagt Brigitte Werner aus Gerolstein. „Frisch, authentisch, superprofessionell“, sagt Anna Meens aus Bitburg. Ganz frisch auf dem Markt ist Elke Heidenreichs neues Buch: „Alles fließt: Der Rhein.“ Vielleicht bringt sie das ja bei ihrem – wer weiß – fünften Besuch zum nächsten Eifel-Literatur-Festival mit.

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