Ikonen mit wichtiger Botschaft Wenn Kriegsmaterial zum Heilsversprechen wird
Trier · „geschrieben auf Munitionskisten“ heißt die aktuelle Ausstellung im Trierer Museum am Dom. Sie zeigt Ikonen eines Künstlerpaars aus Kiew, die auf das Holz von Kisten gemalt sind, in denen Geschosse an die Front transportiert wurden. Ein Appell gegen Krieg und Tod und zudem eine hilfreiche Aktion.
„Schwerter zu Pflugscharen!“ Den biblischen Grundsatz der Friedensethik hat ein ukrainisches Künstlerpaar aus Kiew auf ganz eigene Weise neu interpretiert. Munitionskisten in Ikonen verwandeln Sofia Atlantova und ihr Mann Oleksandr Klymenko. Anlässlich der Heilig-Rock-Tage 2023 zeigt das Trierer Museum am Dom die so entstandenen Ikonen des angesehenen Künstler-Paars.
Präsentiert wird die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Referat Weltkirche des Erzbistums Bamberg und der Diözesanstelle Weltkirche des Bistums Trier. Die gezeigten Ikonen sind Teil einer Wanderausstellung, in der etwa 30 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler der Ukraine ein Zeichen setzen gegen Krieg und Tod. Mit dem Verkauf der Ikonen wird ein mobiles Krankenhaus unterstützt.
Angefangen hat alles vor neun Jahren, als 2014 die russische Armee die Krim und den Donbass besetzte. Tag für Tag sah Oleksandr Klymenko durch sein Atelierfenster in Kiew die Krankenwagen Verwundete ins hauptstädtische Militärkrankenhaus bringen. Gemeinsam mit anderen Kollegen und Kolleginnen beschlossen der Künstler und seine Frau im Herbst des gleichen Jahres eine Ikonen-Ausstellung zugunsten des Militärhospitals zu organisieren. Einige der Bilder wurden einem kämpfenden ukrainischen Bataillon geschenkt.
Zur Übergabe reiste Klymenko an die Front. Dort fielen dem Künstler, der auch als Schriftsteller, Lehrer und Kunstkritiker arbeitet, die Stapel von leeren Munitionskisten auf. Deren Holz hatte eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Holzplatten, auf die er und seine Frau Sofia ihre Ikonen malten. Er erbat sich eine der Kisten und malte darauf seine erste Ikone „The Holy Mother with the Child“ (Maria mit dem Kind). Die Anmutung des Bildes, das einer alten byzantinischen Ikone glich, begeisterte den Künstler. „Es sah aus, als ob es schon 1000 Jahre da wäre“, wird Klymenko in einem Text zum Ikonen-Projekt zitiert. Was den ukrainischen Künstler zudem reizte, war der Widerspruch zwischen der profanen Verwendung der Kiste als Behälter tödlicher Munition und dem heilsversprechenden Bild. „So kam mir die Idee eines konzeptkünstlerischen Projekts, bei dem die ursprüngliche Bestimmung mit etwas Friedlichem verbunden wird, das nichts mit dem Krieg zu tun hat“, berichtet Klymenko im selben Text. Inzwischen hat das Künstlerpaar zahlreiche solcher Ikonen aus Munitionskisten gestaltet und damit Kriegsgerät in christliche Kunst transformiert.
Allerdings ging es dem Ehepaar nicht nur um Kunst, sondern auch um praktische Hilfe. Da das Militärkrankenhaus in Kiew mittlerweile anderweitig unterstützt wurde, beschloss das Paar, ein eigenes Projekt anzugehen. So entstand das nach dem russischen Chirurgen und Begründer der Militärmedizin benannte Pirogov First Volunteer Mobile Hospital (PFVMH), ein mobiles Krankenhaus mit ehrenamtlichem medizinischen Personal.
Unter dem Motto „Buy an Icon –save a life“ werden die Ikonen aus den Munitionskisten zu Preisen zwischen 1000 und 2000 Dollar verkauft. Der Erlös kommt unmittelbar dem Hospital zugute. Inzwischen haben sich weitere zeitgenössische ukrainische Kunstschaffende dem künstlerischen Konversionsprojekt angeschlossen, das als Wanderausstellung durch die Welt tourt. Bereits an 90 Ausstellungsorten in 13 Ländern war es zu sehen, darunter Deutschland, Frankreich, Belgien und die USA. Gezeigt wurde die Ausstellung auch im Europäischen Parlament und in den Parlamenten von Litauen und der Ukraine. Stolze 300 000 Dollar sind inzwischen aus dem Verkauf der Ikonen zusammengekommen, sodass in den letzten beiden Jahren 95 Prozent der Betriebskosten des Hospitals aus dem Verkaufserlös finanziert werden konnten.
Mit der künstlerischen Konzeption seines Projekts setzt Klymenko eine lange religiöse Tradition fort. Seit Jahrtausenden haben Ikonen für die christlich-orthodoxe Kirche und ihre Mitglieder eine wichtige Bedeutung. So hat jede orthodoxe Kirche eine Ikonenwand, die den Altarraum von den Gläubigen trennt. In vielen Häusern orthodoxer Christen hängen Ikonen. In ihnen öffnet sich für sie der Blick in eine spirituelle Welt. Dabei werden die Ikonen nicht angebetet, sondern die Dargestellten lediglich verehrt. Viele der frühen Ikonen waren wie die aus den Brettern der Munitionskisten auf unbehandeltes rohes Holz gemalt.
Wie alle Ikonen haben auch die zeitgenössischen des Kiewer Projekts eine spirituelle Dimension und Symbolik. In der Umwandlung der Kisten, deren Inventar einst zum Töten bestimmt war, in religiöse Bilder stellen sich Gewaltverzicht und der christliche Glaube an den Sieg des Lebens über den Tod dar. Gemalt sind die in Trier gezeigten Ikonen in der traditionellen flächigen Malweise und auch das typisierte traditionellen Bildpersonal mit den Heiligen und der Mutter Gottes mit ihrem Sohn ist der Tradition verpflichtet.
Neben den ukrainischen Bildwerken zeigt die Ausstellung weitere Ikonen aus dem umfänglichen Bestand des Hauses, um die Bedeutung der Ikone in der christlichen Kunst zu erhellen. Das ist fraglos ein schlüssiges Konzept, bei dem eine feine, stille Ausstellung entstanden ist. Eindringlicher wäre sicher die Kombination mit aktuellen Fotos aus den umkämpften Städten und Dörfern des Ukraine-Kriegs gewesen.
Die Ausstellung ist bis 21. Mai, dienstags bis samstags von 9 bis 17 Uhr zu sehen. Internet: www.museum-am-dom-trier.de.