Gestern war 1913: Florian Illies liest beim Eifel-Literatur-Festival

Daun · Mit einem lebendigen und humorvollen Streifzug durchs Leben von Künstlern und Literaten im Vorjahr des Ersten Weltkriegs hat Florian Illies 530 Besucher des Eifel-Literatur-Festivals im Forum Daun begeistert. Es war die in diesem Jahr deutschlandweit einzige Lesung des Schriftstellers aus seinem Bestseller "1913".

 Beeindruckt sein Publikum mit lebendigen Schilderungen, Schlagfertigkeit und Humor: Florian Illies. TV-Foto: Anke Emmerling

Beeindruckt sein Publikum mit lebendigen Schilderungen, Schlagfertigkeit und Humor: Florian Illies. TV-Foto: Anke Emmerling

Daun. Man kann nur spekulieren, welche Anekdoten in hundert Jahren von diesem Lese-Abend mit Florian Illies kursieren. Vielleicht ranken sich einige um seine launigen und pointierten Wortgefechte.
Eins eröffnet Wolfgang Schmid, der Hauptkulturwart des mit veranstaltenden Eifelvereins. Er weist Florian Illies darauf hin, dass er in seinem Panoptikum des Jahres 1913 die Region Eifel, genauer, die damalige Jahreshauptversammlung des Eifelvereins in Trier, unterschlagen habe. Darauf antwortet Illies nach kleiner Verblüffungs-Pause zunächst frei nach Mark Twain: "Schlagfertigkeit ist das, was einem auf dem Nachhauseweg einfällt", um dann doch noch zu belegen, dass die Eifel, ja sogar der Lesungsort Daun, in "1913" erwähnt werde: "Arthur Schnitzler schreibt - wie immer deprimiert - in sein Tagebuch, das letzte Wort des Eintrags heißt ´,down\'." Das Publikum lacht schallend.
Nicht minder unterhaltsam ist die Lesung selbst. Sie beginnt mit der Geschichte, wie der zwölfjährige Louis Armstrong das Jahr 1913 mit einem Pistolenschuss begrüßt. Er wird in eine Besserungsanstalt eingeliefert und mit einer Trompete therapiert. Das klingt verblüffend aktuell.
Auch weitere Textpassagen zeigen auf, wie nah die Zeit damals unserer Moderne war, ja, dass sie als ihr Anfang betrachtet werden kann. Illies berichtet von der Synthetisierung der Droge Ecstasy oder zitiert die mit Worten wie "Globalisierung" und "Kommunikation" gespickte Begründung eines Soziologen, dass es zu keinem Krieg kommen könne.
Besonders dicht holt Illies 1913 heran, indem er Zeitgenossen, die heute als Ikonen der Kulturgeschichte gelten, als Menschen mit Obsessionen und Unzulänglichkeiten zeichnet: Er zitiert den schrulligen Heiratsantrag Franz Kafkas, in dem der nicht nur von sich als Ehemann abrät, sondern auch in literarisches Stottern verfällt. Oder er beschreibt Oskar Kokoschkas wahnhafte Besessenheit von Alma Mahler, die in einige seiner größten Kunstwerke mündete.
Florian Illies lässt auch unheimliche Winkelzüge des Schicksals nicht aus, etwa, dass sich Stalin und Trotzki an dem Februar-Tag erstmals begegnen, an dem der spätere Mörder Trotzkis geboren wird.
Einen großen Abschnitt widmet er dem Lesungs-Datum, 9. September, das in 1913 einer der ereignisreichsten Tage war. Unter anderem erklärte Einstein erstmals öffentlich seine Relativitätstheorie.
Ob die Zeitgenossen damals ahnten, welche Menschen, Ereignisse und Werke ihrer Zeit bedeutsam sein würden? Im abschließenden Interview verneint er das: "Erst aus dem Rückblick lassen sich Zusammenhänge oder Bedeutungen erkennen". ae
Gast der nächsten Lesung ist Rüdiger Safranski, Autor der Biografie "Goethe, Kunstwerk des Lebens". Er kommt am Freitag, 19. September, in die Stadthalle Bitburg und nicht, wie zwischenzeitlich gemeldet, ins Haus Beda. Es gibt noch Tickets. Infos unter www.eifel-literatur-festival.de

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