Gesungene Gebete

HIMMEROD. (gkl) Mit Ausstellungen, Vorträgen und Symposien gedachten die Zisterziensermönche der Abtei Himmerod in diesem Jahr des 850. Todestags Bernhards von Clairvaux. Mit zu dem Veranstaltungskanon gehörten vier Konzerte, in denen dem Ordensvater musikalisch die Reverenz erwiesen wurde.

Die Abschlussveranstaltung war eine Kombination aus der Komplet, dem Abendgebet der Mönche und einem Konzert unter der Überschrift "Zisterzienserchoral", ausgeführt von der neunköpfigen Choralschola der Abtei "Stift Heiligenkreuz" bei Wien unter der Leitung von Prior Maximilian Heim. Der Zisterzienserchoral unterscheidet sich von der "normalen" Gregorianik durch einige vereinfachende Modifizierungen in Tonarten und Tonumfang, die im 12. Jahrhundert durch den Orden angebracht wurden. Das Ergebnis entsprach in seiner Schlichtheit noch mehr der Philosophie des Ordens. Überrascht waren Abt Bruno Fromme und Wolfgang Valerius, der für die Organisation zuständig war, über den großen Publikumszuspruch, der auch am letzten Abend ungebrochen war. "Wir hatten 200 Programme vorbereitet und waren davon ausgegangen, dass etliche übrig bleiben würden", sagte Valerius. Tatsächlich aber war mit gut 400 Zuhörern das Kirchenschiff nahezu vollständig besetzt. Die richtige "Konzertstimmung" kam allerdings nicht auf, als sich nach der Komplet die Choralschola im Chorraum aufstellte und Introiten, Hymnen und Antiphonen aus dem Kirchenjahr intonierte. Eher verdiente das, was die Zuhörer erleben durften, den Namen "Feierstunde". Die Gregorianik ist, mehr als alle andere Kirchenmusik, ein gesungenes Gebet, dessen Andacht und Heiligkeit nicht in den Rahmen einer konzertanten Veranstaltung passt. Wie ein filigranes Netz, sehr fein verwoben, schwebten die Choräle durch den gewaltigen Kirchenraum der Abtei. Da hatte keine künstliche Forcierung, keine Effekthascherei Platz. Es waren authentische, von Herzen kommende und zu Herzen gehende Gesänge, die eine andere Ebene zum Ziel hatte als das Publikum. Durchbrochen wurden die Choräle durch Texte aus Predigten des heiligen Bernhard zu den entsprechenden Festen des Kirchenjahres von Advent bis Himmelfahrt sowie von Orgelimprovisationen. Diesen Part hatte Frater Simeon Wester, ebenfalls aus dem Stift Heiligenkreuz kommend, übernommen. Sein Spiel war ebenfalls von großer Schlichtheit geprägt, auch seine Musik war ein himmelwärts gerichtetes Gebet. Folgerichtig verließen die Zuhörer am Ende still die Kirche, verzichteten auf jede Beifallskundgebung. Vor der Tür der Kirche allerdings waren sich alle einig: Es war wunderschön.

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