Glanzpunkt im Jazz-Geschehen

TRIER. Mit einem furiosen Konzert in der Tufa setzten der Saxofonist Emil Mangelsdorff und sein Quartett einen Glanzpunkt auf die Trierer Jazz-Ereignisse dieses Jahres. Der 81-jährige Pionier der deutschen Jazz-Landschaft und seine herausragend kreativen Mitmusiker schöpften aus dem reichen Füllhorn legendärer musikalischer Meilensteine.

Ein großes Publikum ist zum Konzert des Jazzclubs Trier in der Tufa gekommen, darunter viele reifere Semester. Kein Wunder, denn auf der Bühne steht einer, der einen bedeutenden Platz in der deutschen Jazz-Geschichte einnimmt, der Saxofonist Emil Mangelsdorff. Das Alter von 81 Jahren ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Statt zu stehen nimmt er auf einem Hocker Platz, und die Bewegungen, mit denen er die Brille zurechtrückt, sind bedächtig. Ebenso seine Begrüßung, deren einleitendem "So, erst mal eine Pause folgt, und deren ergänzendes "wir freuen uns, hier zu sein", bei "freuen" in Applaus untergeht. Vielfalt von Gefühlswelten

Doch alle Bedächtigkeit ist mit dem ersten Ton verschwunden. Denn nun pulsiert das Blut, das Mangelsdorff seit der Kindheit in den Adern fließt: der Jazz. Von dieser Leidenschaft erzählen der Meister und das zu einem Teil seiner selbst gewordene Saxofon mit einem Ausdruck spielerischer Leichtigkeit und heiteren Darüberstehens. Letzteres äußert sich auch verbal: "Die Komponisten sagen Ihnen nichts, mir auch nicht, aber den Titel kennen Sie." Oder: "Hat halt Groove oder wie man das so sagt, gefällt uns, also spielen wir´s." Gespielt wird ein sehr abwechslungsreiches Programm, überwiegend Temperamentvolles, das sämtliche beweglichen Körperteile beim Publikum in Schwingungen versetzt. Mit "Sweet Georgia Brown" stellen sich die Musiker vor, es folgen Stücke von Mangelsdorffs Vorbild Charlie Parker, von Duke Ellington, John Coltrane, Horace Silver oder Dizzy Gillespie. Jedes von ihnen mit interessanten und rasanten Tempo- und Harmoniewechseln. Die Rhythmenvielfalt aus Swing, Latin oder Blues lebt vom mehr als nur technisch professionellen Einsatz der Musiker, denen Mangelsdorff viel Raum zur eigenen Entfaltung lässt. Jeder von ihnen zeigt sich als kreativer Solist. Bassist Vitold Rek, nach Worten des Meisters "einer der weiß, was er spielt - was nicht jeder Bassist weiß", nutzt jede nur denkbare Möglichkeit seines Instruments. Ob er melodisch streicht, orgiastisch sägt, sanft zupft oder rhythmisch hämmert, er entlockt ihm einen Reichtum an Klängen, die der Vielfalt von Gefühlswelten entsprechen. Eigenwillige Akzente

Ebenso der Pianist der Herbolzheimer Rhythm and Brass Band und Musikhochschulprofessor Jörg Reiter, der als einen der Höhepunkte des Abends das selbst komponierte "Caprice" nicht nur auf Tasten, sondern auch auf Saiten des Flügels spielt. Ein mitreißendes Stück voller überraschender Wendungen und unterschiedlichster musikalischer Stränge, die er genial zusammenfügt. Am Schlagzeug lässt es im wahrsten Sinne des Wortes der hessische Jazzpreisträger Janusz Stefanski krachen, der die Rhythmusmaschine mit eigenwilligen Akzenten fantasievoll vorantreibt. So auch im letzten regulären Stück "Night in Tunesia" von Gillespie. Spätestens hier brodelt das Blut der Zuschauer genauso wie das der Musiker. Gleichzeitig äußert sich Hochachtung vor der lebenden Legende auf der Bühne. Das Quartett verabschiedet sich mit einem gefühlvollen Blues als Zugabe, der ein bisschen Wehmut darüber erzeugt, dass dieser herausragende Abend zu Ende ist.

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