Glanzstücke und Stil-Defizite

Trier · Wenn das kein Erfolg ist! Statt der erwarteten 100 Besucher drängten mehr als 200 in die Trie rer Promotionsaula. Sie erlebten ein Philharmonisches Orchester, das auch bei Vorklassik Kompetenz bewies - trotz einiger Stil-Defizite.

Trier. Exzellent! Da stellt sich Joachim Gruber, der trotz seines Titels "Solofagottist" im Orchester normalerweise kaum auffällt - da stellt sich dieser Fagottist hin und bläst das virtuose Solo in Antonio Vivaldis Fagottkonzert C-Dur schlichtweg perfekt.
Brillant in den zahlreichen, wirbelnden Figuren, voll, rund und tragfähig im Ton, mit sorgfältiger Artikulation und in der "Höhe" auch mit der warmen, ausschwingenden, baritonalen Lyrik, die am Fagottklang so bestechen kann. Gruber hat ein ausgeprägtes Gespür für die Opernnähe in Vivaldis Konzert, für das Ariose, Singende seiner Partie. Und bei aller virtuosen Brillanz: Im langsamen Satz klingt auch die zarte Schäferstimmung an, die der Venezianer mitkomponiert hat.
Klein, aber schön


Und dann das Philharmonische Orchester Trier: Trotz der heiklen (kleinen) Besetzung mit vier und drei Geigen, je zwei Bratschen und Celli, Kontrabass und Cembalo ließen die Musiker keine Unachtsamkeit, kaum eine Ungenauigkeit und erst recht nichts Hässliches und Missratenes durchgehen. Victor Puhl modellierte bei Georg Philipp Telemanns "Don Quixote"-Suite gestenreich den anschaulichen Stil des weltgewandten Hamburgers heraus und ließ das Menuett-Finale des Vivaldi-Konzerts vorklassisch-galant ausschwingen.
Mozarts beliebte A-Dur-Sinfonie, KV 201, spielten sie dann holzschnittartig energisch, prägnant und frei von Rokoko-Zärtelei - ein Mozart, dem der Beethoven über die Schulter schaut. Puhl und seine Sinfoniker umschifften dabei alle technischen Klippen mit Geschick. Die heiklen Duos der Geigen im Kopfsatz stimmten, und abgesehen von einigen Tonverschiebungen bei den Staccato-Einwürfen der Hörner waren die vier Bläser sauber und sehr präsent.
Echte Kammermusik


Gewiss: Es wurde solide musiziert, aber mit stilistischen Defiziten. Die Klanggebung müsste in der Promotionsaula leichter, beweglicher werden, müsste sich stärker an historischen Stricharten orientieren. Das Orchester ist noch zu unbeweglich und war in dieser Akustik generell mindestens einen Grad zu laut.
Was mit diesen Philharmonikern möglich ist, zeigten sie mit der hellhörigen Begleitung in Vivaldis Fagottkonzert. Da entfalteten die Interpreten einen hellen, leichten, transparenten Klang, gaben den Rhythmen tänzerisch beschwingte Energie mit, beschworen die Intimität und Subtilität echter Kammermusik.
Auch für die Interpretation von Vorklassik und früher Klassik steckt in den Trierer Philharmonikern ein erstaunliches Potenzial. Das muss nur entwickelt werden. Es wegzusparen, wäre fatal.

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