GMD streng geheim

Anruf in der Redaktion am Montagvormittag: Ob wir wüssten, dass am Dienstag das Vordirigieren für den GMD-Posten sei. Ungläubiges Staunen beim Redakteur: "Kann nicht sein, das ist eine öffentliche Veranstaltung, da muss frühzeitig eingeladen werden." Außerdem habe der Kulturdezernent bei der jüngsten Spielplan-PK drei Termine im Herbst für die Finalisten angekündigt, was auch im TV zu lesen gewesen sei.Anfrage beim Presseamt. "Da müssen wir mal nachhören". Eine Stunde später eine "Vorab-Information"(!): Dienstag und Donnerstag jeweils 19 Uhr sei das Probedirigat. Eine weitere Stunde später trudelt eine offizielle Ankündigung ein - wohlgemerkt, für den Folgetag. Nächste Anfrage: Wer denn da nun antrete? Das solle laut Dezernent vorher nicht bekanntgegeben werden. Warum das, wenn die Kandidaten doch öffentlich antreten? Vielleicht tragen sie ja Kapuzenmasken.

Anruf beim Dezernenten. Ja, man sei halt mit der Vorauswahl erst am Freitag fertig geworden. Und dann habe man schauen wollen, ob noch jemand absagt. Und dass die Namen bis zum Abend geheim bleiben sollen, habe die Findungskomission so beschlossen. Im übrigen habe er öffentlich im Ausschuss ja schon gesagt, dass es zügig voran gehe. Und da habe man nicht bis nach den Ferien warten wollen. Außerdem seien der Kommission die ursprünglich vorgesehenen Sinfoniekonzerte nicht mehr als geeignete Form erschienen.

Man schüttelt den Kopf und reibt sich die Augen. Da gehen die Verantwortlichen mit einer vom interessierten Publikum gespannt verfolgten Personalentscheidung so um, als sei es ihre Privatangelegenheit. Schließen die Öffentlichkeit faktisch aus, indem sie Termine erst nach Gusto vorverlegen und dann unzumutbar spät (und erst nach Presse-Anfrage) bekanntgeben. Verhindern vernünftige Vorbereitung, indem sie die Namen verschweigen. Absurdes Theater.

Zur Erinnerung: Das öffentliche Vordirigat ist keine Vergünstigung, die man der Öffentlichkeit gewährt oder nicht. Als 1994 der letzte GMD gesucht wurde, kamen alle Kandidaten zu großen Konzerten oder Opern, die ganz normal im Spielplan angesetzt waren - nicht zu einem dreifach wiederholten ersten Tosca-Akt, wie es offenbar diesmal vorgesehen ist. Es gab die Möglichkeit, nach den Probedirigaten und vor einer endgültigen Entscheidung in Ruhe zu reflektieren. Auch das ist diesmal unerwünscht, soll doch laut Holkenbrink schon nächste Woche im Holterdipolter-Verfahren der Stadtrat Nägel mit Köpfen machen.

Spätestens seit dem unsäglichen Krisenmanagement und der Herumeierei in Sachen István Dénes ist das Thema GMD hochsensibel. Die Geheimnistuerei und die Eilfertigkeit bei der Neubesetzung verbessern nicht die Akzeptanz eines Nachfolgers. Und sie werfen die Frage auf, wie ernst man es im Rathaus unter neuer Leitung mit Transparenz und Bürgerbeteiligung wirklich meint.

Dieter Lintz

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