Gnade vor Recht

Mit der Konstantin-Oper "Fausta" von Heinz Heckmann ist das Trierer Theater in das Programm der Kulturhauptstadt eingestiegen. Die Uraufführung des Werkes nach dem Libretto von Heiner Martini wurde vom Publikum gefeiert, hinterließ aber künstlerisch gemischte Gefühle.

Trier. So ganz haben die Historiker die familiären Verhältnisse zwischen Kaiser Konstantin, seiner Mutter Helena, seiner Ehefrau Fausta und seinem aus einer früheren Beziehung stammenden Sohn Crispus bis heute nicht aufgeklärt. Waren Helena und Fausta verfeindet? Hat Fausta ihren Mann mit dessen Sohn betrogen? Oder räumte Konstantin Frau und Filius per Intrige aus dem Weg, weil sie seinem Machthunger im Weg standen?Fest steht: Crispus und Fausta fielen Konstantin zum Opfer. Und dieser Vorgang liefert die Grundlage für die Oper "Fausta. Macht und Ohnmacht Kaiser Konstantins". Wobei das Stück davon ausgeht, dass Konstantin seine Frau und seinen Sohn eher widerwillig und auf Druck seiner Mutter zum Tode verurteilt, weil ihr gemeinsamer Ehebruch nach römischem Recht eine solche Strafe nach sich ziehen musste.Die knapp zweistündige Oper wirft die durchaus spannende Frage auf, ob "zu viel Recht", wie es Konstantin formuliert, zu Unmenschlichkeit führt. Und ob das Christentum mit seiner Vorstellung von Gnade, die das Recht ergänzt, nicht die menschlichere Variante ist. Darüber wird in langen Mono- und Dialogen verhandelt.Und genau da liegt das Problem dieser Oper. Sie lebt mangels Handlung von den Texten. Und diese Texte atmen den Geist der Antike, aber leider nicht den Esprit der antiken Dichter, sondern die Steifheit antiker Statuen. Allenthalben hört man förmlich das Papier rascheln. Oder, um es zeitgemäßer zu formulieren: Den Sängern hängen die in Granit gemeißelten Phrasen um den Hals wie Mühlsteine.Als wollte er die ganze Statuarik ausgleichen, hat Heinz Heckmann eine gut funktionierende, effektvolle, stilistisch bunt zusammengestellte Gebrauchsmusik komponiert. Das beginnt wie früher Verdi, streift die französische Romantik, zitiert Kinomusik von den Sandalenfilmen bis Harry Potter und macht vor eine Prise Lloyd-Webber nicht Halt. Und es könnte getrost auch 1907 uraufgeführt worden sein, ohne in Modernitäts-Verdacht zu geraten.Heckmann arbeitet mit plakativen Mitteln, setzt reihenweise Crescendi und Generalpausen ein, beschleunigt und bremst, nimmt zurück und gibt dem Affen Zucker. István Dénes und das Orchester, im Bühnenhintergrund platziert, musizieren das gekonnt und genüsslich aus.Der Trierer Komponist schreibt schöne, dankbare, vom Orchester gut gestützte Gesangsstimmen. Da können die Sänger glänzen, allen voran Eva-Maria Günschmanns Helena, die bemerkenswerte dramatische Verve entfaltet. Annette Johannson ist eine romantisch-innige Fausta, die um ihr Recht auf Liebe kämpft und ebenso wie Daniel Brennas kraftvoller Crispus an den starren gesellschaftlichen Vorgaben zerbricht. Andreas Scheel hat als zwischen Pflicht und Neigung zerrissener Kaiser die differenzierteste Rolle, allerdings leider auch den ärgsten Text. Er erledigt seine letzte Aufgabe als Trierer Ensemblemitglied mit Noblesse und Stimmkultur. Als Fährmann in den Tod überzeugt Juri Zinovenko.Abstrakte Landschaft mit Lichteffekten

Die Regie ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Karel Spanhaks Bühne ist eine abstrakte, mit Lichteffekten illustrierte Tücher-Landschaft, die wenig Raum für Handlung lässt. Den Chor spielt man, obgleich mit einer tragenden Rolle ausgestattet, als Konserve zu — was die szenischen Optionen weiter einschränkt. Regisseur Hermann Keckeis verzichtet unter diesen Bedingungen klugerweise auf den Versuch, die Dialoge durch Bühnen-Aktionen aufzupeppen. Stattdessen setzt er auf bedeutungsschwangere Symbolismen, was lange gut geht, sich aber am Ende in Kombination mit den textlichen Lehr-Formeln in einem hemmungslos kitschigen Finale entlädt. Da fahren Fausta und Crispus in engelsgleichen Unschulds-Kostümen gen Himmel auf, während die Bühne von einem Kreuz erhellt wird. Sollte Ironie im Spiel gewesen sein, dann war sie vorzüglich getarnt.Der frenetische Schlussbeifall des Publikums galt fraglos der Lebens- und Energieleistung des Komponisten Heinz Heckmann, der trotz schwerer Erkrankung unbeirrt an der Realisierung seines Werkes festgehalten hat und am Ende sichtlich gerührt, aber mit der ihm eigenen Bescheidenheit auf der Bühne die Ovationen entgegennehmen konnte. Weitere Vorstellung am 2. Juni.

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