Goldgräberstimmung am Kunstmarkt

Ein Andy Warhol wechselt für 29 Millionen Euro den Besitzer, eine Skulptur von Giacometti geht für 74 Millionen Euro über die Theke. Summen, von denen Otto-Normalverbraucher nur träumen können. Bärbel Schulte vom Trierer Stadtmuseum Simeonstift sieht das kritisch.

Trier. Kunst muss kein Schnäppchen sein: Ein Madonnenbild des italienischen Malers Sandro Botticelli (1445-1510) gibt es an diesem Wochenende auf der Internationalen Maastrichter Kunstmesse (The European Fine Art Fair "Tefaf") für 11,1 Millionen Euro zu kaufen. In den vergangenen Jahren jagte ein Rekordpreis für Kunst den anderen.

Einige Beispiele:

Februar 2010: 74 Millionen erzielt eine Skulptur des Bildhauers Alberto Giacometti.

November 2009: 29 Millionen Euro bringt ein Andy-Warhol-Druck im Auktionshaus Sotheby's in New York.

Februar 2009: Die Versteigerung der Kunstsammlung des Modedesigners Yves Saint Laurent bringt in Paris 373,5 Millionen Euro.

Februar 2008: Ein Gerhard-Richter-Gemälde bringt in London 10,5 Millionen Euro, ein Francis-Bacon-Gemälde wechselt für 55,7 Millionen Euro den Besitzer.

Die wirtschaftliche Situation erklärt diesen Trend. Viele vermögende Menschen investieren in Zeiten der Wirtschaftskrise und der Angst vor Inflation lieber in Sachwerte wie Kunstwerke als in Aktien oder Spekulationspapiere.

Das ergab eine wissenschaftliche Studie der Tefaf. Die große Nachfrage von reichen Kunden bestimmt die Preise, die deshalb in atemberaubende Höhen steigen. Manches bedeutende Werk verschwindet so im Wohnzimmer oder Tresor einer Luxus-Villa irgendwo auf der Welt.

Diese Entwicklung sieht Bärbel Schulte, stellvertretende Leiterin des Stadtmuseums Simeonstift in Trier, sehr kritisch.

Besonders bei der zeitgenössischen Kunst würden die angesagten Galerien und Händler den Preis bestimmen: "Was wahnsinnig hochgeht, sind populäre Künstler. Aber die Preise, die für deren Werke gezahlt werden, sind jenseits der Realität. Da zählen nur Namen." Das habe ab einem gewissen Punkt mit Qualität nichts mehr zu tun. Das sei Spekulation: "Kunst als Spekulation verurteile ich aufs Schärfste," warnt Bärbel Schulte. Wie die Preissituation in unserer Region sei? "Die Künstler bleiben mit ihren Preisen im Rahmen." Der Erwerb eines Kunstwerks sei letztlich doch Ausdruck eines Lebensgefühls. Mit Blick auf die internationale Preisentwicklung sieht Schulte große Probleme für öffentliche Museen: "Wenn Preise so explodieren, ist das für Museen, die zeitgenössische Werke oder klassische Moderne sammeln, natürlich besonders schlimm. Die können mit ihren begrenzten Etats nicht mehr mithalten."

Viele europäische Kunstwerke würden in die USA gelangen, wo zum Beispiel das privat finanzierte Getty-Museum einen extrem hohen Ankauf-Etat hat.

Im internationalen Vergleich ist der Etat des Trierer Museums recht bescheiden. Ein Blick in den Haushaltsplan 2010 verrät: Für den Ankauf von Werken Trierer Künstler sind in Zeiten knapper kommunaler Kassen nur 10 000 Euro vorgesehen.

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