Grand Théâtre: Die phänomenale Isabelle Huppert in "Tramway"

Luxemburg · Eine (sehr) freie Bearbeitung von Tennessee Williams' Drama "Endstation Sehnsucht" liefert im Grand Théâtre Luxemburg die Folie für eine außergewöhnliche Darstellerin: Isabelle Huppert, erfolgreichste europäische Schauspielerin der vergangenen Jahrzehnte, spielt die Blanche Dubois. Und zwar überwältigend.

 Sonst meist auf der Leinwand, diesmal live auf der Bühne: Isabelle Huppert. Foto: Grand Théâtre

Sonst meist auf der Leinwand, diesmal live auf der Bühne: Isabelle Huppert. Foto: Grand Théâtre

Luxemburg. (DiL) Dass sie für ihre Kino-Rollen etliche Berlinale-Bären, Cannes-Palmen und europäische Filmpreise abgeräumt hat, ist bekannt. Dass sich Isabelle Huppert trotzdem die Zeit nimmt, gelegentlich Theater zu spielen, weiß außerhalb Frankreichs kaum jemand - leider.

Denn Hupperts Repertoire an Körpersprachen, ihre Präsenz, ihre Vielfalt ist ein Erlebnis. Jedenfalls, wenn man das Stück und die Rolle so auf sie zuschneidet wie die Blanche Dubois in Krzysztof Warlikowskis Version von "Endstation Sehnsucht".

Vom amerikanischen Südstaaten-Milieu, vom Kontrast zwischen der vornehmen Blanche und den einfachen Verhältnissen, die sie bei ihrer Schwester und deren Mann vorfindet, ist nichts zu spüren. Neonlicht dominiert die düstere Bühne (Malgorzata Szczesniak), auf der sich - intelligent eingerichtet - Versatzstücke von Lebensschauplätzen finden: Eine Bowlingbahn, ein Bett, ein gläsernes Bad, ein Wohnzimmertisch. Das Ambiente für Blanches unaufhaltsamen Weg in den Abgrund ist schmerzhaft kühl.

Jede Facette einer gespaltenen Persönlichkeit



Huppert zeichnet eine Figur, die zutiefst unglücklich ist. Beziehungsunfähig, vom sozialen Abstieg bedroht, sexuell obsessiv, ebenso biestig wie anlehnungsbedürftig. Trotziges Kind, verzweifelnde Frau, berechnende Strippenzieherin, hilfloses Opfer: In dieser Persönlichkeit steckt alles, und die Darstellerin bringt jede Facette heraus. Da bleibt für die anderen, so exzellent sie auch spielen, wenig Raum. Auch für Andrzej Chyra, der sich - ungerechterweise - in der Rolle von Blanches Schwager und Gegenpart Stanley Kowalski mit der Filmfigur von Marlon Brando messen muss. Die Regie gönnt ihm wenig von der abstoßenden proletarischen Anziehungskraft des Brando-Kowalski. Ein Durchschnittsmann, der auf Blanches intellektuelle Überlegenheit zunächst mit Ablehnung, dann mit sexueller Gewalt reagiert.

Ansonsten bietet Warlikowski eine beeindruckende Komposition von großem Schauspielertheater, guter Videotechnik, kluger Choreographie und starker Musik. Einzelnen Zuschauern war die verfremdende Bildersprache vielleicht zu viel - sie gingen still. Das Gros aber mochte am Ende mit dem Beifall gar nicht mehr aufhören.

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