Grausames und Gruseliges im Doppelpack: Theater Trier zeigt zwei Horrorabende zu Halloween und erinnert damit an skandalträchtige Pariser Bühne

Trier · Blut, Schockeffekte und Wahnsinn bieten das Theater Trier und Darsteller der freien Szene an diesem Wochenende bei zwei Horrornächten. Los geht es am Freitag mit einer interaktiven Gruselgeschichte im Walzwerk. Am Samstag folgt im Studio ein "Abend im Grand Guignol", inspiriert von der Horrorshow, welche die gleichnamige Pariser Bühne um 1900 weltberühmt machte.

Grausames und Gruseliges im Doppelpack: Theater Trier zeigt zwei Horrorabende zu Halloween und erinnert damit an skandalträchtige Pariser Bühne
Foto: (g_kultur

Trier. Im verruchten Pariser Vergnügungsviertel Pigalle eröffnete 1897 ein besonderes Theater. In einer verlassenen Kapelle mit nur 293 Sitzplätzen zeigte das Théâtre du Grand Guignol Dinge, die dem Publikum die Haare zu Berge stehen ließen. Es war eine neue, direkte Form des Theaters, spezialisiert darauf, mit drastischen Mitteln und Spezialeffekten Angst und Schrecken im Zuschauerraum zu verbreiten.

Gespielt wurden pro Abend fünf bis sechs Stücke, mal gruselige Kriminalgeschichten, mal Deftig-Komisches aus dem Rotlichtmilieu. Die Darstellungen waren von Beginn an keine leichte Kost, wurden mit der Zeit allerdings immer grausamer. Zwischenzeitlich beurteilten die Darsteller den Erfolg eines Abends danach, wie viele Zuschauer während der Vorstellung in Ohnmacht fielen. Auf der Bühne gab es blutige Morde und Vergewaltigungen, Geisteskrankheiten und Operationen am offenen Gehirn zu sehen. Das löste etliche Skandale aus, die das kleine Schauspielhaus weltbekannt machten und Tausende Schaulustige anlockten. Nach dem Zweiten Weltkrieg schwand jedoch das Interesse, 1962 wurde die Bühne geschlossen.

Die detailgetreue Darstellung von Gewalt im Grand Guignol setzte jedoch Maßstäbe für das moderne Theater und die US-Horror- und Splatterfilme der 60er Jahre. Für die aktuelle Spielzeit hat sich auch das Theater Trier von der Pariser Horrorshow inspirieren lassen. Am Freitag, 30., und am Samstag, 31. Oktober, stehen die erste Trierer Horrornacht und ein "Abend im Grand Guignol" auf dem Spielplan.

Die Gesamtdramaturgie beider Abende liegt in den Händen von Mark-Bernhard Gleißner, Chef der neuen Bürgertheater-Sparte 0.1, der auch die Zusammenarbeit mit der freien Kulturszene intensivieren soll. Aus diesem Umfeld stammt die Idee zum Horror-Doppelpack, aus den Reihen von Kreuz & Quer. Mitglieder der studentischen Theatergruppe haben mit etwa 30 Akteuren aus der freien Szene (Neues Theater Trier, Phunix, Theaternetz Trier des AStA, Theater-Jugendclub, Bühne 60+, multikulturelles Zentrum, Trierer Filmprojekt "Die Dunkelmänner") das interaktive Horrorstück erarbeitet, das am kommenden Freitag im Walzwerk gespielt wird (Regie: Anja Dahlmann).Publikum darf selbst ermitteln


Darin wird das ehemalige Verwaltungsgebäude zum düsteren Krankenhaus in den 60er Jahren, in dem ein Mädchen verschwunden ist. Das Publikum darf bei der Suche helfen und die Handlung mitbestimmen. "Dabei offenbart sich dann die furchtbare Geschichte dieses Ortes", verrät Gleißner.
Die Zuschauer führe man in kleinen Gruppen durch die Szenerie, erläutert der Dramaturg. So erlebe jeder Besucher das Stück ein wenig anders. Insgesamt sind drei Vorstellungen angesetzt, die um 20, 21 und 22 Uhr starten. "Die Kulisse ist perfekt", schwärmt Gleißner. "Mit den alten Krankenbetten, den Duschen, dem Neonlicht - da läuft es einem beim bloßen Anblick kalt den Rücken herunter." Sollte das Format ein Erfolg werden, will es Gleißner einmal pro Jahr an wechselnden Spielorten wiederholen.
Der "Abend am Grand Guignol" am 31. Oktober - Halloween - startet um 20 Uhr auf der Theater-Studiobühne. "Da wollen wir richtig schocken", warnt Gleißner. Das Spielzeit-Motto "Ver-rückt euch" werde "im schlimmsten Sinne des Wortes" dargestellt, "mit ganz viel Wahnsinn". Wie im Pariser Horrortheater wird es fünf Stücke zu sehen geben, die "mal eine heiße, dann wieder eine kalte Dusche bringen". Dabei werden die Laien von festen Ensemble-Mitgliedern und dem Opernchor des Theaters unterstützt.
Gespielt werden die Stücke "Kiss of blood" (Regie: Sabine Lamberty), "Das System des Doktor Goudron" nach einer Kurzgeschichte von Edgar Allen Poe (Regie: Gleißner) und August Strindbergs "Gespenstersonate" (Regiedebüt: Alexander Kotz). Dazu gibt es Auszüge aus den Musicals "Sweeney Todd" und "Jekyll & Hyde Resurrection" (Premiere am 13. November). Bei Letzterem wird Tenor Bonko Karadjov für den erkrankten Intendanten Karl Sibelius einspringen.
Für Dramaturg Gleißner ist es besonders spannend, dass die Zuschauer im Studio ähnlich nah am Geschehen sitzen wie damals im Grand Guignol: "Sie erleben alles ganz unmittelbar - und das Blut wird spritzen."
Ob das nicht zu viel fürs Trierer Publikum sein könnte? Sicher nicht, meint Gleißner. "An Halloween laufen so viele Horrorfilme im Fernsehen, da schaffen wir doch lieber diese Situation der Unmittelbarkeit, nach der die Leute direkt über das Erlebte reden können."
Sein Team lobt der Spartenchef schon jetzt in höchsten Tönen: "Jeder ist neugierig auf die anderen und mit unheimlicher Leidenschaft bei der Sache." Für die Horrorabende habe man erstmals verschiedene Gruppen der freien Szene in Trier in diesem Maße vernetzt. Es sei "unheimlich spannend, zu sehen, was wir an Talent aus jedem Einzelnen herauskitzeln".
Karten für beide Horrornächte gibt es unter 0651/7181818, per E-Mail an theaterkasse@teatrier .de oder an der Abendkasse.

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