Greifbare Spannung in jeder Sekunde des Abends

Luxemburg · Bei der ersten Europa-Tournee mit dem neuen Chefdirigenten Riccardo Muti hat das Chicago Symphony Orchestra an zwei Abenden in der Luxemburger Philharmonie haltgemacht. Musiker und Dirigent ernteten beim ersten Konzert im ausverkauften Grand Auditorium begeisterten Jubel.

 Hat das Chicago Symphony Orchestra fest im Griff: Der neue Chefdirigent Riccardo Muti. Foto: Philharmonie

Hat das Chicago Symphony Orchestra fest im Griff: Der neue Chefdirigent Riccardo Muti. Foto: Philharmonie

Luxemburg. Gut ein Jahr ist es her, dass das renommierte Chicago Symphony Orchestra den Italiener Riccardo Muti zum Chefdirigenten wählte. Seitdem hat sich einiges getan: Unter anderem hat Muti das Orchester mit der Verpflichtung neuer Musiker deutlich verjüngt. Das Ergebnis dieser Arbeit präsentieren die Musiker nun auf ihrer ersten Europa-Tournee mit dem neuen Dirigenten - unter anderem mit zwei Konzerten in der Luxemburger Philharmonie.
Schon während der ersten Takte von Paul Hindemiths "Symphonie in Es" wird die Weltklasse der Formation deutlich. Technisch einwandfrei zeigt das Orchester bei dem vielschichtigen Werk eine beeindruckende Präsenz, überzeugt im tongewaltigen Fortissimo ebenso wie in zarten, melodischen Tönen, die sowohl bei den Streichern als auch bei den Bläsern sanft vorgetragen werden.
In den Auszügen zweier Suiten aus Sergei Prokofjews bekanntem Ballett "Romeo und Julia" wechselt das Orchester gelungen zwischen Bombast und träumerischen Klängen. Vor allem die Streicher beeindrucken hier mit unheimlich präzisen Läufen im Pianissimo.
Muti führt auf der Bühne sein Orchester mit strenger Hand: Kaum eine Sekunde vergeht, in der er die Spieler nicht fest im Griff hat. Die Töne scheint er aus den Spielern geradezu herauszuziehen. Mal tobt er auf der Bühne, mal treibt er selbst im Pianissimo das Orchester sanft, aber bestimmt an. Nur sehr selten zieht sich der Dirigent etwas zurück, lässt die Musiker alleine spielen.
Das klingt zunächst einengend, doch dieser Stil funktioniert beim Orchester hervorragend: Muti kitzelt ihm eine Spannung heraus, die es über das ganze Konzert hinüber halten kann - egal, ob es sich gerade um den fulminanten Schluss der Hindemith-Symphonie oder um Prokofjews zarte Vertonung der jungen Julia handelt. Auch ist beim Dirigenten nicht etwa Starrsinn, sondern unheimlich viel Freude bei der Arbeit zu erkennen - etwas, was sich in den Gesichtern der Musizierenden unmittelbar widerspiegelt.
Die Intensität ist so greifbar, dass das Publikum sich oft nur in den Pausen traut durchzuatmen - und schließlich das Orchester stürmisch mit Bravo-Rufen bejubelt. Der Dirigent scherzt mit seinen Musikern, die glücklich den Jubel annehmen: Die Spannung ist nun wie weggeblasen.

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