Grenzen der Gemütlichkeit

Trier · Sie ist ein großes umtriebiges Labor für die freie Kulturszene Triers. Als Gründungsverein der Tufa feiert die Kulturwerkstatt mit ihrer Jahresausstellung jetzt auch den 30. Geburtstag des Hauses. Einmal mehr zeigt sich: Es geht um Gestaltungs- und Experimentierfreude, Integration und grenzüberschreitendes Miteinander.

 Passend zum Ausstellungsthema Gemütlichkeit hat Alexander Fischbach eine Wohnzimmer-Installation aufgebaut. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Passend zum Ausstellungsthema Gemütlichkeit hat Alexander Fischbach eine Wohnzimmer-Installation aufgebaut. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Trier. Sie ist eine der Keimzellen der Tufa. Seit deren Gründung vor 30 Jahren ist die Kulturwerkstatt als Verein dabei - und nicht nur das. Unverdrossen und vorbildlich pflegt die vielseitige Werkstatt bis heute, was das soziokulturelle Zentrum ursprünglich sein sollte: ein Ort für die Aktivitäten der sogenannten freien Szene.
Die bildet sich seit jeher in den regelmäßigen bildkünstlerischen Jahresausstellungen des Vereins ab. Auch in diesem Jahr ist die traditionelle über das erste und zweite Obergeschoss verteilte Schau der Kulturwerkstatt bunt, lebendig und kontrastreich. Unverändert aktuell bleibt das Motto ihres Vorsitzenden Heinz Kreil: "Die Vielfalt ist das Spannende."
Versteht sich, dass man dabei auch über den eigenen Tellerrand blickt. "Special guest" ist zum Geburtstag die Berliner Multimedia-künstlerin Leslie Huppert, die nach Trier beredte Rollbilder mitgebracht hat, in deren Dynamik sich Malerei und Zeichnung zu hintersinnigen Szenerien und Verweisen verbinden.
Im Jubiläumsjahr hat sich die Werkstatt wieder einmal für ein gemeinsames Thema entschieden, unter dessen Dach sich ganz unterschiedliche Arbeiten sammeln. Um Gemütlichkeit geht es, und Alexander Fischbach hat mit seiner Wohnzimmer-Installation auch gleich ein passendes Bild dazu geliefert.
Dass in anderen Kulturkreisen heimeliges Wohlgefühl mit anderen Mitteln erzeugt wird, demonstrieren die persischen Teppiche von Ali Anvari und seine beachtlichen großformatigen Holzschnitte mit ihren traditionellen Ornamenten. Das Wohlgefühl, das der Titel der Ausstellung verspricht, ist allerdings mehrdeutig gemeint. In ihm drücken sich unübersehbar die Sicherheit und der Freiraum aus, den der Labor-Charakter der Kulturwerkstatt meint und der den ausstellenden Künstlern Mut macht zum Experiment und zur Ehrlichkeit. Dass die präsentierten Gemälde, Fotos, Grafiken, Skulpturen und Installationen allesamt authentisch sind, steht außer Frage. Allerdings hinterfragt die Jubiläumsschau auch, was es andernorts mit der Gemütlichkeit auf sich hat, die sich hier zum Teil augenzwinkernd harmlos in Liegestühlen, Grünpflanzen und wohnzimmerlicher Ordnung darstellt. Und sie weist darauf hin, dass es andernorts erschreckend ungemütlich und gefährlich ist.
Letzteres schaffen vor allem die Arbeiten der durch Flucht und Migration nach Trier gelangten Kunstschaffenden. Einmal mehr zeigt sich darin, welch verdienstvoller und durchaus geschützter Ort die Kulturwerkstatt ist. Sie ermöglicht nicht nur interkulturellen Austausch und Begegnung. Über ihr Angebot kreativen Schaffens befreit sie Menschen von ihrer Sprachlosigkeit und gibt ihnen eine Stimme.
Geradezu grauenvoll wird in manchen dieser Arbeiten, die bewegende Zeugnisse schlimmer Erfahrungen sind, der Begriff der Gemütlichkeit ins Absurde verkehrt. So wie in Modris Braslins Ukraine-Zeichnung und in der tief verstörenden Arbeit der Syrerin Rose Ahmad, die sie gemeinsam mit Conny Granow geschaffen hat. Geradezu schauerlich direkt demonstriert die Installation nicht nur das Trauma ihrer Schöpferin, sondern auch jenen vielerorts verbreiteten und nicht immer wahrgenommenen Terror, der jede Art von Vertrautheit und Sicherheit zunichte macht.
Bis 17. Dezember, Dienstag, Mittwoch, Freitag 14 bis 17 Uhr, Donnerstag 17 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 17 Uhr, Telefon 0651/718 2412,
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Finissage ist am 17. Dezember um 16 Uhr in der Tuchfabrik.

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