Grenzen der Menschlichkeit

Liebe, Leidenschaft und Hass - der Stoff, aus dem Tragödien gemacht sind. So auch im Film "Lady Macbeth" von William Oldroyd, der 1856 in England spielt.

Katherine (grandios gespielt von Florence Pugh) ist gefangen in einer Ehe mit Alexander. Ein Mann, der seine Braut peinigt und erniedrigt. Doch Katherines Wunsch nach Freiheit und ihre Sehnsucht nach Liebe sind übermächtig, und so steuert alles auf ein tragisches Ende zu. Auf dem Gut ihres Ehemannes Alexander (Paul Hilton) und ihres Schwiegervaters (Christopher Fairbank) gefangen, wendet sie sich einem der Arbeiter zu, Sebastian (Cosmo Jarvis). Bald sind beide in einer wilden Affäre gefangen. Doch Katherines Ehemann kehrt von einer Reise zurück und schöpft Verdacht. Mit seinen drakonischen Strafen und seiner Überheblichkeit entfesselt er in Katherine einen Sturm des Hasses und der ungeahnten Gewalt. Oldroyd hat mit "Lady Macbeth" ein packendes Drama geschaffen, das tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt. Optisch sind die Farben gedeckt, die Räume karg, es ist windig. Und immer wieder leere Gänge. Eine verlorene, bedrückende Umgebung voller Hoffnungslosigkeit, aus der Katherine nicht entfliehen kann. In ihrem Wunsch nach Freiheit - so verständlich er sein mag - verliert sie schließlich jedes Maß und steigert sich in einen Rausch des Hasses, bar jeder Menschlichkeit und Vernunft. Vorlage für das Drehbuch von Alice Birch war die russische Novelle "Die Lady Macbeth von Mzensk", die Nikolai Leskow 1865 geschrieben hatte. In den 1930er Jahren machte der Komponist Dmitri Schostakowitsch daraus eine Oper, die trotz großer Erfolge in Russland nicht lange zu sehen war. Zu subversiv, befand Stalin und verbot sie. Dass der Stoff als subversiv galt, verwundert nicht, hatten Frauen doch die Rolle der Hübschen, Leidenden. Der Duldsamen, die sich mit List und Tücke, aber nie mit roher Gewalt zur Wehr setzt. Auch wenn Katherine die Grenzen der Menschlichkeit bei weitem überschreitet, macht "Lady Macbeth" deutlich: Frauen wollen sich längst nicht mehr alles gefallen lassen.
Cordula Dieckmann, dpa
Der Film läuft im Trierer Broadway.

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