Großes Kino statt Kammerspiel

Der Spielfilm "Operation Walküre" ("Valkyrie") über das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler ist in dieser Woche in Deutschland ges tartet. Der Film war im Vo rfeld umstritten. Manche Kritiker ä ußerten Bedenken, da die Hauptfigur, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, von Tom Cruise gespielt wird, einem bekennenden Scientologen. Olaf Blaschke, Historiker an der Universität Trier, hat den Film exklusiv für den Trierischen Volksfreund als Gastautor besprochen.

 Der letzte Kuss: Tom Cruise als Stauffenberg , der sich von seiner Frau verabschiedet. Foto: Foxfilm

Der letzte Kuss: Tom Cruise als Stauffenberg , der sich von seiner Frau verabschiedet. Foto: Foxfilm

U n voreingenommen

ins Kino? Selten fiel das so schwer wie bei Bryan Singers "Operation Walküre". Erstens ist schon so viel dazu gesagt worden. Noch vor den Dreharbeiten erhitzte der Film im Sommer 2007 die Gemüter, weil ausgerechnet Tom Cruise, der prominente Sciento lo gy Prediger, den deutschen Wider standskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg ver körpern sollte. Dann durf te zunächst nicht im Bendler block gedreht werden. Schon im Vorfeld war das Werk massiver Kritik ausgesetzt oder beladen mit Hoffnungen auf ein besseres Bild der Deut schen im Ausland. Zweitens will sich keine Unbefangenheit ein stellen, weil man Verlauf und Ausgang der erzählten Ge schichte längst kennt. Wieder scheitert das Attentat auf Hit ler. Das weiß jeder aus der Schu le. Nur Tom Cruise (46) erfuhr die Nachricht erst durch das Drehbuch. "Das kann doch alles nicht wahr sein". Weiteren Geschichts unterricht erhielt er vom Filmteam. "Mir wurde klar, dass dies wirklich passiert ist damals". Mag sein, dass Ame ri kaner durch diesen Strei fen erleuchtet werden. Aber in Deutschland ist der 20. Ju li 1944 vertraut durch Firm unterricht und Zeitung, Ge denk rituale und eine Fülle anderer Filme: Auf zwei Spiel filme von 1955 (von Georg W. Pabst und Falk Harnack) folgte 35 Jahre lang keiner mehr. Da für entstanden in den letzten 20 Jahren gleich vier Spiel filme, darunter 1990 schon einmal eine amerikanische Produktion (Lawrence Schi ller). Dazu kommen seit 1971 mindestens fünf Doku men tar filme. Eine derart bekannten Geschichte erlaubt dem Kino besucher nicht mehr, die Unterhaltung im Stoff selber zu suchen. Von Berufs wegen be sonders vor einge nommen sind Historiker, wenn Filme Ge schichte ver arbeiten und über dies Authentizität be haupten. "Basierend auf der unglaublich wahren Ge schich te": Der Untertitel von "Val kyrie" ist in der deutschen Fassung sicherheitshalber ent fallen. Halten die Zuschauer das Gezeigte für "wahr"? Woll en sie historische Aufklärung durch ein Filmteam? Das soll ten sie im Detail vermeiden. Historische Fehler sind rasch ausfindig gemacht: Unwillig hebt Stauffenberg den Arm stumpf zum Hitlergruß. Das hätte Cruise nicht tun brauchen. Diese Loyalitätsgeste wurde in der Wehrmacht erst nach dem Attentat eingeführt. Der Oberst hat sie nie exer zieren müssen. Aber das sind Kleinigkeiten. Gravierender ist, dass der fehlerfreie Held von Anfang an als Guter die Bühne betritt, und zwar 1943 in Afrika, genau wie Sebastian Koch 2004 im Film von Jo Baier. Dann kommt der Fliegerangriff und die schwere Verwundung. Die Anfangszenen beider Filme ähneln sich. Nur unterstellt Sing er, Stauffenberg sei als Stra fe für kritische Reden ge gen den "Führer" in die Wüste geschickt worden. Hitler gilt Stauffenberg als "Erzfeind" der Welt (das Zitat stammt aber vom Mitverschwörer Henning von Tresckow). Szenisch ver dichtet der Film so Stauffen bergs seit 1941 wachsende Nei gung zum aktiven Widerstand, blendet aber seine mühsame Abwendung vom National sozialismus aus. Wenn Ope ration Walküre nicht mehr "Wahrheit" und Erkenntnis als andere Filme erzeugt, wenn er minutiös derselben Drama turgie folgt - ist er dann we nigstens fesselnder? Nicht an der Geschichtswissenschaft, an der Kategorie Unterhal tungs film will er gemessen werden. "Mission Impossible IV" nennt ihn der Konkurrent Guido Knopp, der soeben ein Doku drama mit der wahreren "Wahr heit" vorlegte. Tat säch lich überzeugt der Thriller im Vergleich zu deutschen Stück en durch packende Inten sität. Statt eines quellen ge stützten Kammerspiels bietet er budget gestützte Naherleb nisse. Er be dient jede Sehge wohnheit für großes Kino. Die Ka me ra schwebt mit Stauffen berg über deutsche Landschaft en. Wenn sie von oben in ein Meer knall roter Hakenkreuz fahnen ein taucht, bezaubert sie mit un gewohnten Bildern das Auge, indem sie sich die ver führeri sche Symmetrie fa schis tischer Repräsentations formen zu eigen macht. Ameri kaner lie ben es, europäische Filme (Nacht wache; Der Himmel über Ber lin) mit ei genen Stars nach zudrehen. Jetzt hat auch der deutsche Wi derstand seinen Weltstar. Kann ein Drehbuch auch kein Ge schichtsbuch er setzen, so vermag es viel leicht zu dessen Lektüre an zu regen, zumal wenn der Film wirk lich besser als befürchtet ist. Olaf Blaschke

extra

Dr. Olaf Blaschke ist Geschäftsführer des Fachs Geschichte an der Uni Trier. Nach dem Studium in Bielefeld lehrt er seit 1997 in Trier. Zu seinen Schwerpunkten zählen der Nationalsozialismus und die Verlagsgeschichte.

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