Grüner Kaktus trifft auf Krise

Trier · Das Publikum erliegt vom ersten Chanson an dem Charme des betörenden Baritons mit der Vorliebe für die 20er und 30er Jahre: Max Raabe und sein Palastorchester haben in der ausverkauften Trierer Europahalle gezeigt, dass die witzig-ironischen Hits aus längst vergangenen Zeiten heute noch funktionieren.

Trier. Das blonde Haar nach hinten gegelt, ein tadellos sitzender schwarzer Frack, ein weißes Hemd mit schwarzer Fliege - So präsentiert sich der Beau der 20er-Jahre-Schmonzetten Max Raabe am Freitagabend dem Publikum in der Europahalle Trier. Und die ist proppevoll - ausverkauft.
Kerzengerade, mit stolz erhobenem Kopf und keckem Blick sinniert der Weltstar, der auch dieses Jahr wieder in Europa, Asien und den USA unterwegs sein wird: "Oft möchten Frauen von ihren Männern wissen, was sie gerade denken. Das ist leider nicht möglich. Nicht selten geht der Mann einem Gedankengang nach, um dann festzustellen - da ist nichts …" Schallendes Gelächter aus den Zuschauerrängen.
Raabe schafft es vom ersten Auftreten an, die festlich steife Etikette der 20er und 30er Jahre aufleben zu lassen, um diese gleich wieder mit seinem unerwartet trockenen Humor zu konterkarieren. Eben dieser Gegensatz macht aus dem gediegenen klassischen Konzert ein Erlebnis.
Im Gepäck hat der ausgebildete Bariton nicht nur sein musikalisch überzeugendes Palastorchester, das er bereits während seines Studiums vor 25 Jahren gegründet hat, sondern auch sein neues Album "Küssen kann man nicht alleine". Dieses Werk hat der kühle Blondschopf gemeinsam mit Popstar Annette Humpe ("Ich&Ich") aufgenommen, die jüngst für ihr Lebenswerk mit dem Echo ausgezeichnet wurde.
Gesungene Geschichten


Das Album erzählt, wie sollte es anders sein, von der Liebe. Alle Songs sind kleine Geschichten, die überraschen. Wie die gesun-gene Geschichte vom schüchternen Geheimagenten "In geheimer Mission" oder "Krise". Dort wird die Krise zu einer Person, die bei ihm einzieht und ihm eine hübsche kleine Depression verpasst.
Konzentration, vor allem auf die Texte, wird von Raab\'schen Konzertgängern gefordert. Obwohl seine Texte ganz einfache Weisheiten wie "Küssen kann man nicht alleine, dazu braucht man einen zweiten Mund" verbreiten, lässt sich der in den kleinen Liedgeschichten versteckte süffisante Humor nur beim genauen Hinhören ausmachen.
Zwischendurch präsentieren Raabe und sein Orchester Ohrwürmer wie "Mein Gorilla hat ne Villa im Zoo" oder "In meiner Badewanne bin ich Kapitän". Eine blaue Kunstoff-Badewanne wird hereingefahren, in die zwei Musiker ihre Trompeten tauchen und blubbernd die Melodie spielen. Wieder hat das Orchester die Lacher auf seiner Seite. Die Zuschauer klatschen und pfeifen laut.
Trotz seiner Präsenz gelingt es Raabe, seinem musikalisch ausgereiften Orchester Raum zu lassen. Für nahezu alle Instrumente, seien es Geige, Trompete, Bass-Saxofon oder Flügel, ist Platz für Soli, die allesamt überzeugen. Genau zwei Stunden dauert seine Show, denn das ist sie auf unerklärlich trockene und unaufgeregte Art und Weise.
Drei Zugaben gibt der Mann, der den Charme der 20er Jahre weltweit lebendig hält, bevor er ein zufriedenes Publikum, den "kleinen grünen Kaktus" summend, in den lauen Abend entlässt. Er selbst soll sich danach die Spätvorstellung im Trierer Cinemaxx gegönnt haben, erzählten Augenzeugen dem TV. Wer hätte gedacht, dass Max Raabe sich zum Entspannen "Fluch der Karibik" anschaut?

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