Günstige Lage am Busbahnhof

WITTLICH/SIMMERN. Wie gut sind die Büchereien in Deutschlands Städten? Der Bibliotheks-Index (BIX) der Bertelsmann-Stiftung hat eine Liste aufgestellt. Sieger ist die Stadtbibliothek Heidelberg. Aber auch zwei Häuser in Rheinland-Pfalz erzielten beachtliche vordere Plätze.

"Bibliotheken produzieren Lei-stungen für Bürger. Sie müssen ihre Angebote und Leistungen genau kennen, um sie bürgernah, wirksam und wirtschaftlich gestalten zu können", heißt es in einem Artikel, den der Bibliotheks-Index (BIX) veröffentlichte. Um besagte Angebote und Leistungen zu kennen und zu verbessern, veranstaltet die beim BIX federführende Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh mit Hilfe des Bonner Instituts für angewandte Soziologie (Infas) seit fünf Jahren eine Umfrage unter deutschen Stadtbüchereien und - erstmals in diesem Jahr - Fach- und Universitätsbibliotheken. 212 Stadtbüchereien haben diesmal teilgenommen und sich überlegt: Wer sind unsere Kunden, und wen erreichen wir mit unseren Leistungen nicht? Sind die Nutzer mit unserem Angebot zufrieden, oder gibt es Wünsche, die wir nicht befriedigen? Stimmt der Service - und welches Image hat unser Haus in der Öffentlichkeit? Eines aus der Region erreichte auf der Liste im "Gesamtrang nach Größenklassen" die bronzene Stufe: Die Stadtbücherei in Wittlich steht bundesweit an dritter Stelle. Simmern, dessen Literatur-Tankstelle sich in diesem Jahr zum ersten Mal an der Umfrage beteiligt hat, kommt auf einen - immer noch beachtlichen- achten Platz (den sich die Hunsrück-Stadt mit Aalen, Ditzingen, Göttingen und Lörrach teilt). Ellen Fracke, die Leiterin der Bücherei, gibt zu, dass sie das Ergebnis überrascht hat, zählt aber dann einige Gründe auf, warum Simmern so gut abgeschnitten hat: "Wir sind vor drei Jahren in helle und großzügig geschnittene Räume umgezogen, legen sehr viel Wert auf Kundenservice und bieten unseren Nutzern auch die Möglichkeit zur Kommunikation", erläutert sie im Gespräch mit dem TV. Erwachsene und Jugendliche nutzen das Angebot gleichermaßen intensiv und nehmen auch gerne literaturfremde Angebote wie Kochkurse und Bastelnachmittage oder eine Veranstaltung "Rund um die Kartoffel" an - zusätzlich zu den für eine Bücherei mittlerweile obligatorischen Lesungen mit bekannten Autoren und Ausstellungen, nicht nur rund um Bücher. Für deren Ankäufe stehen Ellen Fracke 13 000 Euro jährlich zur Verfügung. Gern werden deshalb auch Bibliotheken aus Haushaltsauflösungen oder als Schenkungen angenommen, um den Bestand zu erweitern. Die Bücherei Wittlich muss sich ihren respektablen Platz 3 im Gesamtrang beispielsweise mit Bad Mergentheim, Gütersloh, Münster und einigen anderen Orten teilen, wie auch die ersten und zweiten Ränge mehrfach vergeben wurden. Im ersten Jahr der Umfrage erzielte das Haus sogar den ersten Platz; den "Abstieg" erklärt Bücherei-Leiterin Elke Scheid mit dem Umstand, dass das Haus mittlerweile auch die Bibliothek des Emil-Frank-Instituts beherbergt. Damit ist die Stadtbücherei Wittlich die einzige in Deutschland, die sich auch um eine wissenschaftliche Bibliothek kümmert - "was für mich natürlich auch eine Herausforderung war". Deren Bestände werden nicht so intensiv genutzt, und das gab Minuspunkte in der nach strikten Regeln durchgeführten Gesamtbewertung. Das 1997 gegründete Frank-Institut mit Sitz in Wittlich arbeitet als Einrichtung an der Universität Trier und an der Theologischen Fakultät Trier. Nicht ohne Stolz bemerkt Scheid, dass die Hauptnutzer ihrer Bücherei Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren sind, die vor allem das permanent aktualisierte Angebot von CDs, DVDs und CD-Roms nutzen. Dabei kommen ihr übrigens die städtischen Verkehrsbetriebe zu Hilfe: Da die Bücherei gegenüber dem Busbahnhof liegt, vertreiben sich die Schüler die Wartezeit bis zum nächsten Anschluss oft mit einem Abstecher in die Bücherei. Auf diese Weise entstehen in neun langen Schuljahren oft lebenslange Kontakte. Die Jüngeren ans Haus zu binden und an die Literatur heranzuführen ist für Elke Scheid denn auch eine der wichtigsten gesellschaftlichen Verpflichtungen, die sie mit ihrer Arbeit verbindet. Ein Herzenswunsch wird ihr allerdings wohl auf absehbare Zeit nicht erfüllt: die Bücherei rund um die Uhr zu öffnen, wie es in einigen Länden - etwa Schweden und Amerika - bereits üblich ist. Bei den derzeitigen Finanzverhältnissen der Kommunen bleibt das Utopie.

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