Gutachten zum Theater Trier: Mehr sparen ist nicht drin

Trier · Die Zukunft des Trierer Theaters bleibt auch nach der Vorlage einer Experten-Analyse zur Arbeit des Hauses ungewiss. Kernpunkt des Gutachtens des Berliner Kulturwissenschaftlers Professor Dieter Haselbach: Innerhalb der bestehenden Strukturen lässt sich finanziell nicht viel verbessern.

Nun gibt es die Information auch schwarz auf weiß, quasi wissenschaftlich beglaubigt: Das Theater Trier arbeitet ordentlich, bietet ein anerkanntes Programm, spart, wo es kann und schmeißt kein Geld raus. Das vorhandene Angebot in der vorhandenen Struktur ist billiger nicht zu haben. Das ist die Quintessenz aus den Ausführungen des Gutachters, die gestern am Spätnachmittag im Kulturausschuss vorgestellt wurden. Das Theater, so Haselbach, "spart, wo es geht".

Die Frage ist nur: Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Denn der Professor aus Berlin hat die Rechenmaschine ausgepackt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Theater die vom Stadtrat für das vergangene Jahr beschlossene Spar-Auflage von einer Million Euro nur gut zur Hälfte erfüllt hat. Und zwar, weil es sie, so Haselbach, ohne Strukturveränderungen gar nicht besser erfüllen kann.

Die Konsequenz: Soll das Theater wie bisher weitergeführt werden, muss der Stadtrat jährlich mehr als 400 000 Euro auf das aktuelle Budget draufpacken. Plus die allfälligen Kostensteigerungen durch Tariferhöhungen. Und von der Bau-Sanierung ist da noch gar keine Rede.

Haselbachs Consulting-Unternehmen ICG hat das Theater ein halbes Jahr lang unter die Lupe genommen, Verbesserungsvorschläge geprüft, Ideen abgewogen. Mehrere Empfehlungen sind dabei herausgekommen, was sich tun ließe, ohne die Strukturen des Hauses zu verändern:
Empfohlene Verbesserungen

Durch den Anbau einer Probenbühne könnte Personal effektiver eingesetzt und Platz für zusätzliche Vorstellungen geschaffen werden.Durch Umwandlung der Rechtsform in einen Eigenbetrieb oder eine GmbH wäre das Haus besser zu steuern.Durch zusätzliche Stellen im Marketing- und Sponsoring-Bereich ließen sich erhöhte Einnahmen erzielen.Kleiner Schönheitsfehler: Die Maßnahmen refinanzieren sich zwar, führen aber unterm Strich nicht zu Kostenreduzierungen.Wünschbare Verbesserungen

Der Anbau eines Kleinen Saales ließe mehr Programmvielfalt zu.Die räumliche Auslagerung von Werkstätten könnte die Arbeitsbedingungen verbessern.Die Stärkung von Dramaturgie und Theaterpädagogik würde eine intensivere Schul- und Jugendarbeit erlauben.Großer Schönheitsfehler: Alle diese durchaus sinnvollen Maßnahmen würden mehr kosten, als sie betriebswirtschaftlich einbringen. Auch ein eigener Haustarifvertrag, einzelne Produktions-Kooperationen und eine Verwaltungs-Reorganisation bieten laut Gutachten kein entscheidendes Einsparpotenzial.Ernüchterndes Fazit

Der letzte Satz des Gutachtens ist unmissverständlich: "Wenn das Konsolidierungsziel erreicht werden soll, sind strukturelle Veränderungen im Theater nicht zu vermeiden." Und diese Veränderungen, daran lässt Professor Haselbach keinen Zweifel, "werden schmerzhaft sein".

Was das im Einzelnen sein könnte, Spartenschließungen, Fusionen, gar die Umwandlung in ein Bespielhaus: Darüber will er erst reden, "wenn die Stadt signalisiert, dass sie in diese Richtung weiterdenken will". So sieht das auch Kulturdezernent Thomas Egger. Wenn der Stadtrat weitergehende Strukturveränderungen ausschließe, könne man "das Gutachten an dieser Stelle beenden". Für realistisch hält er das freilich nicht. Denn dann müsse der Rat auch sagen, wo er das zusätzliche Budget für das Theater bei anderen freiwilligen Ausgaben einsparen wolle.

Egger würde gerne weiter marschieren. Sein Zeitplan: Bis zur Sommerpause mehrere Optionen für strukturelle Veränderungen vorzulegen und die Grundlinie zeitnah zu beschließen. Im Kulturausschuss zeichnete sich gestern ab, dass die Mehrheit des Stadtrats ihm darin folgt.
Meinung

Kein bequemer Mittelweg mehr
Der Vorhang zu und die Gretchenfrage offen: Wie hältst du es mit dem Theater? Genauer, im Zeichen leerer Kassen: Wie viel ist dir das Theater in Euro und Cent wert? Damit wird sich jedes Ratsmitglied sehr bald auseinandersetzen müssen. Kulturdezernent Thomas Egger scheint fest entschlossen, den Kardinalfehler der Schulentwicklungsdiskussion zu vermeiden: Er will zunächst wissen, in welche Richtung es gehen soll - und dann erst über die unangenehmen Details reden.

Und er hat Recht. Augen zu und weiter so, auch wenn keiner weiß, wo das Geld herkommen soll? Oder Liebgewonnenes in frage stellen, die Kultur nach der Kasse ausrichten? Wenn zu letzterem Denkansatz jede Bereitschaft fehlt, hat es keinen Sinn, über Strategien zu reden. Fest steht nach dem Gutachten nur eines: Der für die Politik bequeme Mittelweg des "Sparens in den Strukturen" ist restlos ausgereizt. Entweder die Stadt pumpt mehr Geld ins Theater, oder sie muss sich der schmerzhaften Strukturdebatte stellen. Und das zügig. Das Schlimmste wäre eine Verschiebung bis nach der Kommunalwahl.

Denn die Zeit drängt, ganz abgesehen von der Verunsicherung des Theater-Personals, dreifach. Erstens, weil das Defizit jährlich um fast eine halbe Million steigt. Zweitens, weil ohne Konzept auch die dringende bauliche Sanierung in der Luft hängt. Und drittens, weil man im nächsten Jahr einen neuen Intendanten für 2015 suchen muss - und da sollte man vorher wissen, ob man den Job für einen Künstler oder für einen Manager ausschreibt. d.lintz@volksfreund.de

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