Gute Zeilen, schlechte Zeilen

Die Melodie summt im Kopf, aber was singt sie oder er überhaupt? Gerade bei englischen Songs gerät der Text oft in den Hintergrund, wird falsch oder nicht verstanden. Der TV hat sich durch ein paar Klassiker gehört.

Gute Zeilen, schlechte Zeilen
Foto: ARRAY(0x2c8e3c58)

Traurige Geschichte, neulich irgendwo im Internet gelesen: Da ist dieser Kerl, der letzte Weihnachten sein Herz verschenkt hat. Aber sie gab es weg, gleich am nächsten Tag. In diesem Jahr - um sich die Tränen zu sparen - will er es jemand Besonderem geben, to someone special, special …
Falls es nun Wham!-weihnachtlich in den Ohren klingelingt und George Michael vor dem geistigen Auge den Weihnachtsbaum schmückt - tschuldigung! Das könnte daran liegen, dass die Verknüpfung zwischen Songzeile und Song manchmal auch in der Übersetzung noch halbwegs funktionieren kann. Bei der einfachen Botschaft von "Last Christmas" muss man es mit dem Zwischen-den-Zeilen-Lesen auch nicht übertreiben.
Bei anderen Songs ist der Fall nicht so klar. Manche Zeilen werden gerne falsch verstanden, auch wenn man sie schon Hunderte Male gehört hat. Über Songzeilen und ihre Bedeutung ist aktuell ein neues Buch erschienen (siehe Extra). Hier einige Klassiker.

Hey there, people, I'm Bobby Brown …

Frank Zappa hat sich vermutlich vor Lachen kaum halten können. Da hat der geniale Musiker und Provokateur 1979 seinem süßen Bobby Brown eine derart schlüpfrige Lyrik spendiert, die wohl auch in 100 Jahren nicht ins amerikanische Formatradio passen wird und von der Bushido heute noch lernen könnte. Aber in der kaum weniger prüden Spätsiebziger-Bundesrepublik läuft die Single rauf und runter, Bobby Brown (Goes Down) wird zu Zappas bekanntestem Song. Versteht ja niemand, was er singt. Warum der amerikanische Traum nach Vaseline riecht. Und wer überhaupt "Freddie" ist. Das wollte der Meister höchstselbst ändern. Zappa war zu Gast beim noch jungen Thomas Gottschalk in dessen Radioshow bei Bayern 3 - und legte seine deutsche Version von Bobby Brown auf den Plattenteller. Nach 20 Sekunden war Schluss. Auf Deutsch war Bobby dem Sender dann doch ein paar Nummern zu explizit.

Born in the U.S.A.
Präsident Ronald Reagan wollte sich den Song für seine Kandidatur 1984 ausleihen. So was brauchte er: Von diesem kernigen Typen vor der US-Flagge, der inbrünstig "Born in the USA" raunzt. Perfekt für den Wahlkampf! Dabei war der Song von Bruce Springsteen alles andere als eine Werbung für die Regierung. "Born in the USA" handelt von einem, der zehn Jahre nach seiner Rückkehr aus Vietnam überhaupt kein Land mehr sieht, der amerikanische Alptraum: "Kein Ort, wohin ich flüchten könnte." Noch vor der Wende spielte Springsteen übrigens in der DDR - wohl nicht zum Vergnügen von Reagan, den es lieber nach Bitburg zog.

Tell me why I don't like Mondays …
Montagmorgen in Deutschland. In irgendeinem Radiosender läuft garantiert "I don't like Mondays" (1979) von den Boomtown Rats mit Sänger Bob Geldof. Von einer "Kein-Bock-auf-Arbeit"-Hymne ist der Song inhaltlich weit entfernt. Geldof arbeitet darin den Fall der 16-jährigen amerikanischen Schülerin Brenda Ann Spencer auf. Die hatte sich an einem Montagmorgen im Januar 1979 mit dem Weihnachtsgeschenk ihres Vaters ans Schlafzimmerfenster gesetzt: ein halbautomatisches Gewehr. Sie zielte auf die gegenüberliegende Schule. Erschoss den Schulleiter, den Hausmeister, verwundete acht Schüler und einen Polizisten und erklärte nach ihrer Festnahme lapidar, dass ihr einfach langweilig war, einfach nichts los: "I don't like Mondays." Der Song wurde zum größten Hit der Boomtown Rats. Und Brenda Ann Spencer, inzwischen 54 Jahre alt, sitzt weiterhin von Montag bis Sonntag im Gefängnis. Den weniger dramatischen "Ich mag keine Montage"-Song ohne Schulmassaker-Referenz gibt's dann aus den 80ern von den Bangles, Manic Monday.

No woman, no cry.
Auch der Klassiker von Bob Marley aus dem Jahr 1974 wird gerne mal - im Deutschen - falsch verstanden. Wer da die Gleichung aufstellen will "Keine Frau = kein Geheul" liegt jedenfalls komplett daneben. In dem Song, der das Leben in einem Slum von Kingston skizziert, appelliert Bob Marley liebevoll an eine Frau, nicht zu weinen - ein Song, der Trost spendet und der sich in keiner Weise gegen Frauen richtet.

EXTRA Lesetipp:
Die Autoren Günther Fischer und Manfred Prescher haben bereits in mehreren Bänden die Geschichte hinter mehr oder weniger berühmten Songzeilen ausgegraben. Nach "Alles klar auf der Andrea Doria" und "Nur noch kurz die Welt retten" spendieren im aktuellsten Band die Toten Hosen den Titel, "An Tagen wie diesen" (Theiss-Verlag, broschiert, 240 Seiten, 19,90 Euro). Darin befindet sich eine bunte Mischung von Metallica über Grönemeyer bis Helene Fischer.

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