Gute Zeiten, schlechte Zeiten, dolle Zeiten

Berlin/Trier · Seit 40 Jahren gehört Robert Kreis zur niederländischen Kabarettszene. Noch bekannter als in seiner Heimat ist er allerdings im Ausland, und da vor allem in Deutschland. Was vielleicht daran liegt, dass er seit einigen Jahren in Berlin lebt.

Berlin/Trier. Oma war an allem schuld. Sie, eine populäre Jazzmusikerin mit eigener Damenkapelle, hat den Enkel früh mit dem Showbiz-Serum geimpft. Mit ihren Mädels schipperte die Großmama auf den Vergnügungsdampfern zwischen Java-, Banda- und Celebessee im größten Inselstaat der Welt herum: in Indonesien.Dort, auf Java, wurde auch Enkel Robert Kreis geboren - ein ziemlich paneuropäisches Produkt eines tschechisch-ungarisch-österreichischen Vaters und einer holländisch-französischen Mutter mit einem Schuss indischem Blut. Stammbaumbedingt kann er deshalb heute auf sechs Sprachen für seine Auftritte zurückgreifen - am liebsten Deutsch, wie er gesteht, das er mit dem hierzulande spätestens seit Lou van Burg oder Rudi Carrell besonders beliebten Zungenschlag beherrscht."Eine Katastrophe" auf hoher See Mit zehn Jahren kehrte der Sohn samt Mutter heim ins Königreich. Der Grund: "Vater hatte mehrere Frisiersalons und interessierte sich nicht nur für die Köpfe seiner Kundinnen." Als er 16 wurde, hielt ihn nichts mehr in Amsterdam: Er heuerte auf einem Ozeandampfer als Servicekraft an. "Eine Katastrophe", erinnert er sich. Sein Vorgesetzter habe ihn gefragt, ob er etwas anderes könne, um seinen Aufenthalt auf hoher See irgendwie sinnvoll zu gestalten.Und hier kommt die Jazz-Oma wieder ins Spiel: Angeregt durch ihr Beispiel, hatte Jung-Robert acht Jahre lang Klavieruntericht, sich jedoch Clementi-Etüden erfolgreich widersetzt und stattdessen geswingt und gejamt, bis der Klavierlehrer entnervt das Handtuch warf. Dennoch sollte die Zeit nicht umsonst gewesen sein: Kreis ersetzte den erkrankten Schiffspianisten, und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.Zurück in Amsterdam, besuchte der junge Mann eine Kabarettschule und stieß auf die reichhaltige Brettl-Geschichte der Niederlande, die dank deutscher Diktatur in den 1930er Jahren eine ungeheure Blüte erlebte. Denn alles, was talentiert, witzig, scharfzüngig, intellektuell und jüdisch war, musste vor den nationalsozialistischen Kulturreinigern fliehen. Um dem staatlich verordneten Heil zu entgehen, suchten sie ihr persönliches im Nachbarland. Willy Rosen, Otto Wallburg und Rudolf Nelson gehören zu den bekanntesten, die jenseits der Grenzen versuchten, die Nazis zu überstehen. Unterstützt wurden sie dabei unter anderem vom niederländischen Revuekünstler Louis Davids, der den Flüchtlingen in seinem Kurhaus-Kabarett in Scheveningen und im Leidseplein-Theater die dringend benötigte Bühne bot. Später traten die verfemten Künstler, unter anderem auch Werner Finck, der zwar kein Jude, aber ziemlich frech zu seinem Führer war, in Privatwohnungen auf; applaudiert werden durfte nicht, um die Nachbarn nicht misstrauisch zu machen. Dokumente aus jenen Jahren - Schellackplatten, Programmzettel, Noten - fand Robert Kreis in Antiquitätengeschäften, auf Dachböden und in Erblässen. Damit hatte er das Material für seine Programme zusammen.Ungeahnte Aktualität

"Es ist geradezu verrückt, wie sehr die zwanziger und dreißiger Jahre unserer Gegenwart gleichen." Kreis redet sich in Begeisterung. "Ich habe Songtexte von ungeahnter Aktualität gefunden. Inflation, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit - alles schon mal dagewesen, alles wieder da. Leider gibt es heute weder Texter noch Komponisten, die diese Umstände so witzig, hintergründig, intelligent und trotzdem publikumsnah schreiben können."Was also lag näher für Kreis, dass er diese Schätze hob, aufpolierte und daraus seine zahlreichen Kabarettprogramme zusammenbaute, mit denen er, wie er nicht ohne Stolz verkündet, in den vergangenen 40 Jahren mehr als 7200 Abende unterwegs war. Die neuesten heißen etwa "Verehrt, verfolgt, vergessen", "Das frivole Grammophon", "Alles wegen de Leut" (ein Titel von Otto Reutter) oder "Rosige Zeiten". Es ist gleichzeitig sein Programm zum 30. Bühnenjubiläum in Deutschland, mit dem er nun auch nach Trier kommt - "ein der wenichen Städte, in denen ik noch nicht aufchetreten bin. Ik freu mich rrrrriesig auf ein neues Publikum", niederländelt er. Motto des Abends: "Ich setz mir eine rosarote Brille auf - und seh die Welt in rosarotem Licht!" Rosige Zeiten, dolle Zeiten.Robert Kreis tritt am Samstag, 29. März, 20 Uhr, in der Trierer Tufa auf. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier, unter der Tickethotline 0651/7199996 sowie im Internet unter www.volksfreund.de/tickets

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